Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
bevor eine einzige Zeile des Librettos entstanden ist. Puccini zögert die Antwort hinaus, zugleich fragt er Soldani, den wegen seiner harschen Abfertigung immer noch betrübten Librettisten der längst verstorbenen Margherita , ob er eventuell als Textdichter für die Conchita zur Verfügung stehe. Ricordi hat inzwischen den Vertrag mit Louys unterzeichnet, zähneknirschend, weil er voraussieht, daß nie etwas daraus werden wird. Es geht im Grunde erst einmal darum, den Stoff anderen Komponisten zu entziehen. So gering die Wahrscheinlichkeit dafür auch ist, nie würde Giacomo es ihm und sich selbst verzeihen, gelänge es einem Konkurrenten, an seiner Stelle daraus eine erfolgreiche Oper zu machen. Um das zu verhindern, findet Giacomo, kann ein umsichtiger Verleger ruhig etwas Geld investieren.
Soldani, einer jener armen Menschen, die stets an das Gute glauben und nach jedem Fetzen Hoffnung haschen, läßt ausrichten, er stünde als Librettist für die Conchita selbstverständlich zur Verfügung, liebend gern sogar. Er denkt sich wohl, ein zweites Mal könne ihn Puccini so nicht behandeln; seine Bestallung sei als Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht gedacht.
So weit denkt Giacomo aber gar nicht. Seine Pläne mischen sich selten in die Angelegenheiten anderer. Von Sybil erbittet er sich – unter strikter Geheimhaltung – eine Ausgabe von Oscar Wildes nachgelassenen Dramen Eine florentinische Tragödie und Die Herzogin von Padua . Nach dem Erlebnis der Salome , wo Oscar Wildes Stück ja unverfälscht, nur ein wenig gekürzt verwendet wurde, will er nicht noch einmal einen Stoff dieses Autors übersehen und verpassen. Sybil erwähnte schon bei der ersten Begegnung, daß ihre ältere Schwester, Ada, Oscar Wildes beste und treueste Freundin gewesen sei, bis zu dessen beklagenswertem Tod. Puccini greift das auf und schreibt, es freue ihn, mit einem vielleicht einmal berühmten Schriftsteller wenn auch nur über drei Ecken verbunden zu sein, sicher habe Ada mit Oscar, dem ›Finnochio‹ (dem Schwulen), wesentlich weniger Probleme gehabt als Sybil mit ihm, ihrem ungezogenen Jungen, ihrem Noti Boi . Falls der gute Oscar sich aber nur deshalb fürs andere Ufer entschieden habe, weil Ada ihn habe abblitzen lassen, solle sie, Sybil sich noch mal überlegen, welche Verantwortung die schönen Frauen dieser Welt trügen.
Es ist ein ziemlich geschmackloser Scherz, und Sybil entschließt sich, diesen Brief lieber zu verbrennen, was sie ihm auch in klaren Worten mitteilt. (ANM. 1)
Giacomo entschuldigt sich für die monierten Zeilen und gelobt Besserung. Und für die Conchita gibt er einem französischen Librettisten, Maurice Vaucaire, denselben Auftrag wie Soldani. Doppelt hält besser.
Die Herzogin von Padua , schreibt er an Sybil, sei ihm leider abhanden gekommen, das Manuskript lasse sich einfach nicht mehr auffinden, ob sie vielleicht eine Abschrift habe machen lassen? Sybil hat eine Abschrift machen lassen, zum Glück. Puccini hat tatsächlich die Urschrift des Dramas verschlampt, das Sybil von ihrer Schwester Ada ausgeliehen hat, um es, eigentlich unerlaubt (Wildes Nachlaß ist noch unveröffentlicht), ihrem Giacomo per Einschreiben zu schicken. Er schämt sich deswegen, ist zerknirscht, aber nur kurz, jenes Stück sei ja nicht besonders großartig. (Das Manuskript ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.)
D’Annunzios ersten Vorschlag für einen Stoff, eine Oper namens Parisina , lehnt er ab, sie sei ihm zu weit, zu tief, zu innerlich, man einigt sich statt dessen auf La Rosa di Cipro , eine vertrackte Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang.
Als aber der Dichter bei einem Treffen in einer begeisterten Suada die Musik schildert, die er im Geiste zu den eben entstandenen ersten Versen voraushört, reagiert Puccini skeptisch. Nennt den Stoff Ricordi gegenüber bald allzu romantisch, und vom ersten Poeten Italiens, einer nach eigener Ansicht irgendwo zwischen Nietzsches Übermenschen und gottähnlichem Wesen angesiedelten Existenz, behauptet er blasphemisch, daß dieser »immer etwas in den Wolken zu Haus ist«. Zwei Tage später schreibt er dem düpierten D’Annunzio, das Ganze sei zwar interessant, aber doch eher nichts für ihn, er hoffe dennoch inständig auf die Fortsetzung ihrer Freundschaft, man müsse eben weiterhin nach einem geeigneten Sujet für die gemeinsame Arbeit suchen. Den schwer beleidigten Poeten hält nur sein Geldmangel davon ab, endgültig das Handtuch zu werfen.
D’Annunzio an Camillo
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