Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)

gestalten.
    Giacosas Tod bietet ihm einen Vorwand, seine momentane Verfassung für nachvollziehbar zu erklären. Elvira ahnt von seinen Qualen nichts. Sybil macht sich Sorgen, erkennt ihn nicht wieder, fürchtet, er habe genug von ihr. Doch sobald die Seligmans erst einmal abgereist sind, sendet er Sybil intensive Liebesbezeugungen, für ihn ist die Situation jetzt wieder erträglich geworden.
    Leider kommen nun, statt neuer Gäste, neue Zweifel an der Stoffwahl. Die Conchita überzeugt ihn nicht mehr, er bespricht sich mit Illica, der alles, was Vaucaire und Soldani an Vorarbeit geleistet haben, unmöglich und dilettantisch findet und vom Roman stark abweichende Vorschläge anbietet.
    TECHNIKUM MITTWEIDA
AN GIACOMO PUCCINI, TORRE DEL LAGO
(maschinenschriftliche Durchschrift), 26. September 1906
    Herrn
    Giacomo Puccini,
    Torre del Lago
    Auf Ihr gefl. Schreiben vom 22. ds. Mts. teilen wir Ihnen mit, daß die Zensierung der Prüfungsarbeiten und die Eintragung der Zensuren in die betr. Listen noch mehrere Tage in Anspruch nehmen wird. Wir vermögen Ihnen deshalb heute noch nicht zu sagen, ob Ihr Sohn die Prüfung bestanden hat. Falls die Anfang Oktober zusammentretende Versetzungskonferenz seine Versetzung in die nächsthöhere Abteilung aussprechen sollte, so würde er bis zur Ablegung der Ingenieur-Hauptprüfung bei regelrechtem Verlaufe des Studiums noch 3 Semester benötigen; außerdem muß er die bei Zulassung zur Hauptprüfung nachzuweisende mindestens einjährige Praxis erwerben.
    Die praktische Ausbildung erfolgt am zweckmäßigsten jetzt, nach dem 2. Semester. Auf Wunsch könnte Ihr Sohn als Volontär in die mit unserem Technikum verbundenen Lehrfabrikwerkstätten aufgenommen werden. Die Bedingungen fügen wir in der Anlage bei. Theoretischer Unterricht wird während der praktischen Ausbildung nicht erteilt.
    Sollte Ihr Sohn jetzt die Prüfungen nicht bestanden haben, so würden wir ihm gestatten, dieselben nach Beendigung der einjährigen Praxis, im September 1907, nochmals abzulegen, so daß die Möglichkeit der Versetzung für ihn noch vorhanden wäre. Er müßte sich dann aber Anfang September schriftlich anmelden, damit ihm der Tag, an welchem die Prüfungen beginnen, bekanntgegeben werden kann.
    Die an unserer Anstalt erworbenen Zeugnisse berechtigen, da das Technikum eine Privatanstalt ist, nicht zum Staatsdienste. Für die Privatpraxis werden dieselben aber in allen Ländern anerkannt.
    Hochachtungsvoll
    Die Direktion
    Killmann
    Stellvertr. Direktor
    ZEUGNIS DES TECHNIKUMS MITTWEIDA FÜR DAS 2. SEMESTER ANTONIO PUCCINIS
 
Fleiß :  
Leistungen :
Mathem. IV (Rep. d. nied. Mathem.)
2
4
Mathem. V (Analysis u. höh. Gleichungen)
4
4
Mathem. VI (Analyt. Geom. d. Ebene)
2
4
Physik III
3
3
Elektrotechnik II (Allgem. Elektrot.)
3
 –
Elektrotechnik III (Elektrot. Meßkunde)
–
 –
Chemie I
2
2,5
Mechanik III (Technische Mechanik)
2
2,5
Festigkeitslehre II
2
3
Maschinenbau II (Maschinenelemente)
3
3
Eisenhüttenkunde u. mech. Technologie
4
 –
Darstellende Geometrie II
3
3
Maschinenbau II (Entw. v. Masch.-Elem.)
3
3
Deutsche Sprache
2
2,5
    Versäumt 102  Doppelstunden, davon entschuldigt 52  Doppelstunden .

7
    Mit Elvira, die darauf besteht, ihn zu begleiten, bricht GP am 20. Oktober nach Paris auf, wo drei Tage später die ersten Proben zur Butterfly beginnen. Er leidet unter Zahnschmerzen und fühlt sich deprimiert, weil Frau Carré, die die Hauptrolle singen soll, nach weiteren Kürzungen verlangt, um ihre Kräfte zu schonen. Er möchte lieber nach Spanien, um sich dort die fehlende Inspiration für die Conchita zu holen. Keine Zeit – bald steht ein Aufenthalt in New York an, der aus Publicitygründen unausweichlich scheint, zum Glück aber vom Dezember auf den Januar verschoben werden kann. Mit Louys arbeitet Puccini am Conchita-Libretto, verschweigt ihm dabei geflissentlich alle von Illica geplanten Änderungen. Soldani arbeitet weiterhin tapfer an seiner eigenen Fassung und ahnt dabei nicht, daß man ihn schon fast vergessen hat.
    Puccini leidet nicht nur unter Diabetes. Seine Zahnschmerzen läßt er lange nicht behandeln, aus fast kindlicher Furcht. Und Madame Carré erweist sich als typische Intendantengattin – hübsch, doch zickig und von wenig Talent gesegnet.
    Gegenüber Sybil schimpft er seitenweise über die verzärtelte Möchtegernsoubrette. Ramelde schreibt er, die Depressionen machten ihn ganz brav, er sei Elvira durchweg treu und genieße nicht eine der vielen aparten