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Die Kleptomanin

Die Kleptomanin

Titel: Die Kleptomanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Selbst wenn es einer der Angestellten ist oder ein Student, der heute Abend nicht da war, das wird sich schnell herumsprechen. Das ist immer so.«
    »Das ist wohl wahr. Das ist immer so.«
    »Und dann ist da noch Mrs Nicoletis. Ich weiß wirklich nicht, was sie zu dieser Geschichte sagen wird. Das weiß man nie bei ihr.«
    »Es wäre interessant, das herauszufinden.«
    »Natürlich können wir nicht zur Polizei gehen, wenn sie nicht zustimmt – oh, wer ist das denn jetzt?«
    Jemand hatte kräftig an die Tür geklopft. Das Klopfen wiederholte sich, und fast noch bevor Mrs Hubbard gereizt »Herein!« rufen konnte, öffnete sich die Tür und Colin McNabb trat ein, die Pfeife zwischen den Zähnen und mit verdrießlichem Gesicht.
    Er nahm die Pfeife aus dem Mund, schloss die Tür hinter sich und sagte: »Bitte entschuldigen Sie, aber ich wollte unbedingt Monsieur Poirot sprechen.«
    »Mich?« Poirot sah ihn aus unschuldigen Augen überrascht an.
    »Ja, genau Sie«, sagte Colin erbittert.
    Er zog sich einen ziemlich unbequemen Stuhl heran, setzte sich darauf und fixierte Hercule Poirot.
    »Sie haben uns heute Abend einen netten kleinen Vortrag gehalten«, sagte er nachsichtig. »Und ich will nicht abstreiten, dass Sie über eine reichhaltige und langjährige Erfahrung verfügen. Aber, wenn ich das so direkt sagen darf, Ihre Methoden und Vorstellungen sind völlig veraltet.«
    »Aber Colin«, sagte Mrs Hubbard und wurde rot. »Das ist äußerst ungehörig.«
    »Das ist nicht persönlich gemeint, aber ich muss doch eines klarstellen: Verbrechen und Strafe, Monsieur Poirot – das ist alles, an was Sie denken können.«
    »Das scheint mir eine natürliche Abfolge zu sein«, sagte Poirot.
    »Sie folgen damit dem engen Blickwinkel des Gesetzgebers – ja, in der Tat, den altmodischsten Ansichten des Gesetzgebers. Aber heutzutage kann selbst der Gesetzgeber sich nicht länger vor der Frage verschließen, was das Verbrechen auslöst. Es sind die Ursachen, auf die es ankommt, Monsieur Poirot.«
    »Aber in diesem Punkt«, rief Poirot, »kann ich Ihnen doch nur zustimmen.«
    »Also müssen wir die Ursache für das finden, was sich in diesem Hause abgespielt hat – wir müssen herausfinden, warum diese Dinge getan worden sind.«
    »Aber auch darin kann ich Ihnen nur zustimmen – ja, genau darauf kommt es an.«
    »Denn für alles, was geschieht, gibt es Gründe, und es kann sein, dass es für die entsprechende Person sogar sehr gute Gründe gibt.«
    An dieser Stelle konnte Mrs Hubbard sich nicht länger zurückhalten. »Unfug«, sagte sie scharf.
    »Da sind Sie im Irrtum«, sagte Colin und drehte sich leicht in ihre Richtung. »Sie müssen den psychologischen Hintergrund in Betracht ziehen.«
    »Psychologischer Unfug«, sagte Mrs Hubbard. »Ich habe kein Verständnis für solches Geschwätz.«
    »Das liegt daran, dass Sie absolut nichts davon verstehen«, wies Colin sie barsch zurecht. Er wandte sich wieder Poirot zu.
    »Ich interessiere mich für diese Dinge. Im Augenblick mache ich ein Doktorandenstudium in Psychiatrie und Psychologie. Da lernt man die kompliziertesten und erstaunlichsten Fälle kennen, und deshalb sage ich Ihnen, Monsieur Poirot, dass man dem Straftäter nicht einfach nur Bosheit oder absichtliche Missachtung der Gesetze unterstellen darf. Man muss sich mit den Wurzeln des Übels auseinander setzen, wenn man die jugendlichen Täter jemals bessern will. Das war zu Ihrer Zeit noch unbekannt oder man hat es nicht berücksichtigt, und ich zweifle nicht daran, dass es Ihnen noch heute schwer fällt, das zu akzeptieren…«
    »Diebstahl ist Diebstahl«, rief Mrs Hubbard unbeirrt dazwischen.
    Poirot bemerkte mit sanfter Stimme: »Meine Vorstellungen mögen altmodisch sein, Mr McNabb, aber ich bin durchaus bereit, Ihnen zuzuhören.«
    Colin schien angenehm überrascht. »Das ist nett gesagt, Monsieur Poirot. Jetzt will ich einmal versuchen, Ihnen die ganze Angelegenheit zu erklären. Ich werde mich dabei ganz simpel ausdrücken.«
    »Danke«, sagte Poirot sanft.
    »Der Einfachheit halber will ich mit dem Paar Schuhe anfangen, das Sie heute Abend mitgebracht und Sally Finch zurückgegeben haben. Vielleicht erinnern Sie sich, dass nur ein Schuh gestohlen worden war. Nur einer.«
    »Ich erinnere mich, dass mir das auch aufgefallen war«, sagte Poirot.
    Colin McNabb beugte sich voller Eifer vor. »Ja, schon, aber Sie haben die Bedeutung dieser Tatsache nicht erkannt. Es ist eines der schönsten und klarsten Beispiele, die

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