Die Kleptomanin
sich Notizen machte.
»Es ist wohl Kleptomanie, vermute ich«, sagte Mrs Hubbard.
»So wird es meistens genannt. Wenn es um Leute geht, die irgendwelche Dinge nicht wirklich brauchen, sie aber trotzdem einfach mitgehen lassen.«
»Ich frage mich, ob Sie da jetzt nicht ein bisschen unfair sind ihr gegenüber. Immerhin war da auch ein junger Mann im Spiel.«
»Der sie schlecht behandelt hat?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Er hat sie sehr stark verteidigt, und in der Tat gestern Abend, nach dem Essen, hat er angekündigt, dass er sich mit ihr verloben würde.«
Inspektor Sharpe zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Und dann geht sie ins Bett und nimmt Morphium? Das ist ziemlich überraschend, finden Sie nicht?«
»Ja. Ich verstehe das nicht.« Mrs Hubbards Gesicht legte sich vor Verwirrung in kummervolle Falten.
»Und dennoch sind die Tatsachen völlig klar.« Sharpe nickte in Richtung des kleinen Stücks Papier, das zwischen ihnen auf dem Tisch lag.
Liebe Mrs Hubbard (lautete der Text),
es tut mir wirklich sehr Leid, aber dies ist das Beste, was ich tun kann.
»Es trägt keine Unterschrift, aber Sie haben keinen Zweifel, dass es sich um ihre Handschrift handelt?«
»Nein.«
Mrs Hubbard sprach sehr unsicher und runzelte die Stirn, als sie sich das abgerissene Stück Papier ansah. Warum hatte sie das starke Gefühl, dass etwas damit nicht stimmte?
»Auf dem Zettel ist ein klarer Fingerabdruck, der zweifelsfrei von ihr stammt«, sagte der Inspektor. »Das Morphium war in einer kleinen Flasche, die ein Etikett des St Catherine’s Hospital trug. Und Sie haben mir erzählt, dass sie im St Catherine’s die Medikamente ausgegeben hat. Sie hatte Zugang zum Giftschrank und hat das Gift vermutlich von dort. Wahrscheinlich hat sie es gestern mit nach Hause gebracht, schon in der Absicht, Selbstmord zu begehen.«
»Ich kann das gar nicht glauben. Es klingt irgendwie verkehrt. Sie war so glücklich gestern Abend.«
»Dann müssen wir wohl davon ausgehen, dass irgendeine verspätete Reaktion eingesetzt hat, als sie zum Schlafen nach oben ging. Vielleicht gibt es mehr in ihrer Vergangenheit als Sie wissen. Vielleicht hatte sie Angst, dass das herauskommen könnte. Sie glauben, sie war sehr verliebt in diesen jungen Mann – wie war doch noch gleich der Name?«
»Colin McNabb. Er macht ein Doktorandenstudium am St Catherine’s.«
»Ein angehender Arzt? Und am S t . Catherine’s?«
»Celia war sehr stark in ihn verliebt, stärker, glaube ich, als er in sie. Er ist ein ziemlich ichbezogener junger Mann.«
»Das könnte vielleicht die Erklärung sein. Sie hat sich vielleicht seiner nicht würdig gefühlt. Oder sie hatte ihm nicht alles gesagt, was sie hätte sagen sollen. Sie war noch sehr jung, nicht wahr?«
»Dreiundzwanzig.«
»In dem Alter ist man noch idealistisch und nimmt Beziehungen sehr ernst. Ja, ich fürchte, das genau ist es. Schade.«
Er erhob sich. »Ich fürchte, dass wir die Tatsachen nicht zurückhalten können, aber wir werden unser Möglichstes tun, um den Eindruck zu mildern. Vielen Dank, Mrs Hubbard, ich habe jetzt alle Informationen, die ich brauche. Sie sagen, ihre Mutter ist vor zwei Jahren gestorben, und die einzige Verwandte, von der Sie wissen, ist eine ältliche Tante in Yorkshire – wir werden uns mit ihr in Verbindung setzen.«
Er nahm das kleine abgerissene Blatt mit Celias lebhafter Handschrift.
»Damit stimmt irgendetwas nicht«, sagte Mrs Hubbard plötzlich.
»Stimmt nicht? Was meinen Sie damit?«
»Ich weiß nicht – aber ich habe das Gefühl, dass ich es wissen müsste. Oh, mein Gott.«
»Und Sie sind ganz sicher, dass es ihre Handschrift ist?«
»O ja, das ist es nicht.« Mrs Hubbard presste sich die Hände vor die Augen. »Ich fühle mich so schrecklich dumm heute Morgen«, sagte sie entschuldigend.
»Ich weiß, das ist alles sehr schwer für Sie gewesen«, sagte der Inspektor voller freundlichem Mitgefühl. »Ich glaube nicht, dass wir Sie im Augenblick noch länger belästigen müssen, Mrs Hubbard.«
Inspektor Sharpe öffnete die Tür und fiel fast über Geronimo, der von außen gegen die Tür gelehnt hatte.
»Wen haben wir denn da«, sagte Inspektor Sharpe freundlich. »Einen Lauscher an der Tür, oder?«
»Nein, nein«, antwortete Geronimo mit einer Miene tugendhafter Entrüstung. »Ich lausche nicht – nie, niemals! Ich komme nur gerade mit Nachricht.«
»Ach so. Was für eine Nachricht?«
Geronimo sagte mürrisch: »Da unten ein Gentleman wartet,
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