Die Kleptomanin
zu wahr«, sagte Wilding. Er maß rasch mit den Fingern ab. »Sie könnten jedes Mal Stoff für fünf- oder sechstausend Pfund mitbringen, ohne dass jemand etwas davon merken würde.«
»Genau«, sagte Hercule Poirot. »Alors! Die Rucksäcke werden produziert, auf den Markt gebracht und verkauft – wahrscheinlich nicht nur in einem Laden. Die Ladenbesitzer mögen eingeweiht sein oder nicht. Vielleicht ist es auch einfach nur so, dass man ihnen diese billige Serie von Rucksäcken anbietet, mit denen sie die Preise der anderen Campingausstatter unterbieten können. Dahinter steht natürlich eine straffe Organisation, die über eine genaue Liste der Studenten an den medizinischen Hochschulen, an der Universität London und an anderen Hochschulen verfügt. Irgendjemand, der selbst Student ist oder sich als ein solcher ausgibt, ist vermutlich der Kopf dieser Organisation. Die Studenten reisen ins Ausland. Auf dem Rückweg wird an irgendeinem Punkt der Rucksack gegen ein Duplikat ausgetauscht. Der Student kommt nach England zurück; die Zollkontrolle ist reine Formsache. Der Student geht in sein Wohnheim, packt seine Sachen aus, und der leere Rucksack landet in einem Schrank oder in irgendeiner Ecke. An dieser Stelle wird nun entweder der Rucksack erneut ausgetauscht, oder der Inhalt des falschen Bodens wird herausgeholt und durch harmloses Füllmaterial ersetzt.«
»Und Sie glauben, dass das in der Hickory Road passiert?«
Poirot nickte. »Das ist mein Verdacht, ja.«
»Aber wie sind Sie darauf gekommen, lieber Monsieur Poirot?«
»Ein Rucksack ist zerschnitten worden«, sagte Poirot. »Warum? – Weil dafür kein offensichtlicher Grund vorliegt, muss es einen verborgenen Grund geben. Und dann ist noch etwas auffällig mit den Rucksäcken aus der Hickory Road: Sie sind zu billig. – Es hat, wie Sie wissen, eine Reihe merkwürdiger Vorfälle in dem Studentenwohnheim gegeben, aber das Mädchen, das dafür verantwortlich war, hat fest behauptet, den Rucksack nicht zerschnitten zu haben. Da es alles andere zugegeben hatte, gab es keinen Grund, die Zerstörung des Rucksacks zu leugnen. Also sprach es die Wahrheit. Folglich musste es einen anderen Grund für die Zerstörung des Rucksacks geben – und einen Rucksack zu zerstören, muss ich sagen, ist keine einfache Sache. Es ist harte Arbeit, und jemand muss ziemlich verzweifelt gewesen sein, um sie durchzuführen. Ich fand den entscheidenden Hinweis, als ich herausfand, dass der Rucksack ungefähr (leider nur ungefähr, denn das menschliche Gedächtnis ist nach dem Zeitraum von ein paar Monaten nicht mehr allzu zuverlässig) zu dem Zeitpunkt zerstört wurde, als ein Polizist da war und mit der Leiterin des Studentenwohnheims sprechen wollte. Der Besuch des Polizisten stand in einem völlig anderen Zusammenhang, aber stellen Sie sich vor: Sie sind jemand, der in diesem Schmugglerring mitarbeitet. Sie kommen an dem Abend nach Hause und hören, dass die Polizei da ist und im Augenblick oben mit Mrs Hubbard redet. Sie nehmen sofort an, dass der Besuch der Polizei etwas mit der Schmuggelei zu tun hat. Und lassen Sie uns annehmen, dass in diesem Augenblick zufällig ein Rucksack im Haus ist, den gerade ein Student aus dem Ausland zurückgebracht hat, und der noch Schmuggelware enthält – oder vor kurzem enthalten hat. Wenn nun die Polizei einen konkreten Verdacht hegt, dann ist sie einzig zu dem Zweck in die Hickory Road gekommen, die Rucksäcke der Studenten zu untersuchen. Sie wagen es nicht, mit dem fraglichen Rucksack aus dem Haus zu gehen, denn die Polizei kann jemanden auf der Straße postiert haben, der das Haus beobachtet, und ein Rucksack lässt sich nicht leicht tarnen oder verstecken. Das Einzige, was Ihnen einfällt, ist, den Rucksack zu zerschneiden und die Stücke im Gerümpel im Heizungsraum zu verbergen. Falls Rauschgift oder Edelsteine im Haus sind, so kann man sie kurzfristig in Badesalz verstecken. Aber selbst ein leerer Rucksack, in dem Rauschgift transportiert wurde, enthielte noch Spuren von Heroin oder Kokain, die bei näherer Untersuchung oder Analyse nachweisbar wären. Also musste der Rucksack zerstört werden. Stimmen Sie mir zu, dass das möglich wäre?«
»Es wäre eine Idee, wie ich schon sagte«, meinte Superintendent Wilding.
»Es kann auch sein, dass ein anderer kleiner Zwischenfall, den wir bisher nicht wichtig genommen haben, mit dem Rucksack zusammenhängt. Nach Aussage des italienischen Hausangestellten, Geronimo, war an dem Tag, als
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