Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Verlauf der Klimadebatte, die Wahrnehmung des Klimawandels und die Klimapolitik prägten. Skeptizismus wurde zu einem Schimpfwort, Emissionsreduzierung zu einem Muss und Adaption zu einem Sakrileg – aus heutiger Sicht mag einem das zugleich fremd und altvertraut erscheinen.
Vor allem aber wurde die Klimawissenschaft politisiert und zu einem Ersatzschauplatz für eigentlich politische Auseinandersetzungen, während die Politik sich auf die Wissenschaft berufen und als alternativlos gerieren konnte. Die Klimapolitik trägt noch immer Spuren davon, zuletzt auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen (2009), als die „Klimakanzlerin“ Angela Merkel das von der Klimawissenschaftvorgeschlagene 2-Grad-Ziel durchzusetzen versuchte und der gesamte Gipfel nicht zuletzt auch daran scheiterte. Die Klimawissenschaft hingegen sah sich mehr und mehr internen Konflikten ausgesetzt. Sie war in die Erfolgsfalle geraten.
4. Die Hockeyschlägerdebatte
Manche Teile der Klimaforschung erscheinen auf den ersten Blick als etwas esoterische Wissenschaft. Dies gilt zum Beispiel für die Paläoklimatologie, die sich für vergangene Klimazustände interessiert und diese aus sogenannten Proxys, 28 indirekten Anzeigern des Klimas wie Eisbohrkernen, Baumringen, früheren Getreidepreisen oder Deichreparaturkosten „rekonstruiert“ bzw. abschätzt. Was wie eine interessante Spielerei anmutet, ist für die Klimadebatte von großer Bedeutung. Denn unser Verständnis des Klimas, das darf man nicht vergessen, ist nur so gut wie die Klimadaten, die wir gesammelt haben.
Als Werner Krauß im Jahr 2003 auf den Fluren des Helmholtz-Zentrums in Geesthacht auf und ab ging, um den Alltag der Küsten- und Klimaforscher kennenzulernen, schenkte er den Paläoklimatologen unter ihnen zuerst keine große Aufmerksamkeit. Er ließ sich ein paar Fachbegriffe erklären und schaute ihnen ab und an etwas verständnislos über die Schulter. Ihr „Häuptling“, der Institutsdirektor Hans von Storch, war wieder einmal in der Welt unterwegs, und seine „Indianer“ machten einen weltabgewandten Eindruck. Eine grobe Fehleinschätzung, wie eine Serie von Ereignissen Schlag auf Schlag klarmachte. Die scheinbar so verträumten Klimaforscher waren nämlich dabei, die methodische und damit die wissenschaftliche Legitimität der seinerzeit bekanntesten Klimakurve zu hinterfragen und damit eine der wichtigsten Debatten in der Geschichte der Klimaforschung auszulösen. Diese Kurve zeigt einen abrupten steilen Temperaturanstiegseit Beginn der Industrialisierung und wird wegen ihres Verlaufs als Hockeyschlägerkurve bezeichnet.
Ausgerechnet die Rekonstruktion vergangener Klimazustände geriet somit in den Fokus erbitterter Auseinandersetzungen über die Realität des Klimawandels. Die trockene Paläoklimatologie trug wesentlich zur Politisierung der Klimaforschung bei und wurde zu einem Brennpunkt der Auseinandersetzung zwischen Warnern und Skeptikern. Die friedliche Truppe um Hans von Storch hatte einen Tumult ausgelöst.
Die mediale Debatte über den Klimawandel fand nun tatsächlich in der Klimawissenschaft selbst statt, wo zuvor weitgehend in Ruhe geforscht worden war. Dadurch wurde in der Öffentlichkeit der Eindruck verstärkt, dass die Wissenschaft auch die Entscheidungshoheit über die aus ihren Daten folgende Klimapolitik habe. Im Zentrum stand eben jene Kurve mit dem schönen Namen „Hockeyschläger“, die nun zur Ikone der Klimadebatte wurde.
Über die Hockeyschlägerdebatte sind in den letzten Jahren Bücher geschrieben, viele Artikel veröffentlicht und Zehntausende von Blogeinträgen verfasst worden. Inzwischen hat sich die Aufregung über das Objekt des Disputs, die Hockeyschlägerkurve, wieder weitgehend gelegt. Nicht nur, weil im Verlauf der Debatte ihre Bedeutung relativiert wurde, sondern auch, weil über die Jahre Einigkeit hergestellt wurde, dass bezüglich der berühmten Grafik und der ihr zugrunde liegenden Daten schlicht noch Forschungsbedarf besteht.
Etwas anderes, Bleibendes, hat die Debatte jedoch hinterlassen, etwas, das Naturwissenschaftlern eher fremd ist und manche von ihnen geradezu fürchten: Ihre Arbeit wurde über die kleine Fachcommunity hinaus zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Die Forscher selbst gerieten in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Zwar waren Klimaforscher in den Medien auch zuvor als Produzenten von Wissen, von Meinungen, von Empfehlungen, mithin als Vertreter „der Wissenschaft“ gefragt. Es gab, wie
Weitere Kostenlose Bücher