Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Zeitraum von 1000 bis 1998. Statistisch-technisch kompliziert, handelte es sich im Kern einfach um eine Korrelation. Im „Trainingszeitraum“ 30 1880 bis 1980 bestand der behauptete Zusammenhang, und man nahm an, dass er auch vorher im „Anwendungszeitraum“ 1000 bis 1879, für den keine Thermometerdaten existieren, bestand. Ein gewöhnlicher methodischer Ansatz in der Erforschung erdgeschichtlicher Klimazustände.
Es gibt allerdings zahlreiche Vorbehalte gegen diese Methode: In den Baumringen ist nicht nur die Variabilität der Temperatur archiviert, sondern zusätzlich andere Faktoren wie Feuchtigkeit, Schädlinge oder Waldbrände. Die volle vergangene Temperaturvariabilität kann nicht rekonstruiert werden, da ein Teil der Unterschiede zwischen verschiedenen Jahresringen nicht auf Temperaturunterschiede, sondern auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Insbesondere zeigen die Jahresringe der Bäume eine Altersabhängigkeit, und das macht es schwierig, Veränderungen über Jahrzehnte und längere Zeiträume zuverlässig abzubilden – aber gerade die längerfristigen Veränderungen der Temperatur will man ja rekonstruieren. Die Anzahl der Stichproben (konkret die Teile von Bäumen), aus denen man Eigenschaften von Baumringen ablesen kann, ist für weit zurückliegende Jahre viel geringer als für spätere. Folglich sind auch die empirischen Zusammenhänge zwischen Proxys und Temperatur für zeitlich frühe Jahre weniger genau als für späte.
Nun ist nichts Ungewöhnliches daran, dass sich eine neue Methode einer Reihe von kritischen Fragen gegenübersieht; die Konstrukteure der Kurve Michael Mann und Mitstreiter verwiesen zunächst auch auf diese Vorbehalte und dass die Rekonstruktion insgesamt eben eingeschränkt belastbar war. Der Hinweis auf diese Einschränkung aber ging auf dem Weg von der wissenschaftlichen Originalpublikation zur populärwissenschaftlichen Darstellung verloren. Kein ungewöhnlicher Vorgang. Bei einer solchen Metamorphose bleibt immer manches Detail auf der Strecke, sicher auch in diesem Buch.
In ihrer ersten Fassung aus dem Jahr 1998 wurde die Rekonstruktion aus Proxy-Daten nur für einige Jahrhunderte gezeigt, ein Jahr später dann schon für das ganze Jahrtausend. In beiden Fällen ging die Rekonstruktion nur bis 1980; eine aus Proxy-Daten abgeleitete Entwicklung der folgenden knapp zwei Jahrzehnte bis ins Jahr 1998 wurde nicht veröffentlicht, vielmehr wurden – wie schon erwähnt – aus Thermometerdaten abgeleitete Zahlen gezeigt. 31 Die unterschiedliche Herkunft der Daten wurde aber durch entsprechende Einfärbung der Kurven deutlich gemacht. Später fiel dieser Hinweis bisweilen weg, etwa bereits in einer Veröffentlichung der World Meteorological Organisation WMO aus dem Jahr 1999.
Der Hockeyschläger als zentrales Symbol für die Klimakatastrophe
Die Hockeyschlägerkurve war nur eine von einer ganzen Reihe von Rekonstruktionen der Temperaturentwicklung über lange Zeiträume. Qualitativ waren sich diese alle ähnlich – viele von ihnen erschienen im Fachkapitel zum Thema im Dritten Sachstandsbericht des UNO-Klimarats IPCC. Aber nur diese eine Kurve schaffte es in den besonders wichtigen „Summary for Policy Makers“, der in kompakter Weise die wesentlichen Resultate des IPCC bereitstellt. Auch in anderen Zusammenfassungen wie dem sogenannten Synthese-Bericht des IPCC kam immer nur der Hockeyschläger vor. Ganz offensichtlich wurde er als besonders geeignet zur Übermittlung der Nachricht vom menschengemachten Klimawandel angesehen. So war er z. B. auch auf der ersten Seite der internationalen Ausgabe der New York Times , der International Herald Tribune , abgebildet – auf dem Foto sieht man den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe 1 des UNO-Klimarats IPCC, Sir John T. Houghton, vor einer Projektion eben der Hockeyschlägerkurve sitzen.
(2) Sir John T. Houghton vor der Hockeyschlägerkurve
Die Kurve hatte, wie gesagt, eine glatte langsame Abwärtsentwicklung bis zum Einsetzen der Industrialisierung. Sie wies insbesondere keine auffällig warme Periode im Mittelalter auf, dafür aber einen sehr auffälligen Anstieg ab dem Jahr 1850, sodass ein Zusammenhang zwischen Industrialisierung (und damit der Emission von Treibhausgasen) und Temperaturanstieg unübersehbar hergestellt war. Vielleicht hoffte man, dass bei einer solch eindringlichen Darstellung selbst dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush einleuchtete, dass die Politik etwas gegen den Klimawandel unternehmen
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