Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Verfügung stellen, um mehr und bessere Handlungsoptionen und Entscheidungen zu ermöglichen.
Der Dialog über die Grenzen der Wissenschaft hinaus und dann auch noch gezielt mit der Einladung an Skeptiker ist jedoch nicht die einzige Grenzüberschreitung, welche die Klimazwiebel zum Programm erhebt. Die Anerkennung des Klimaproblems als ein nicht rein naturwissenschaftliches, sondern als ein gesellschaftliches Problem findet auf der Klimazwiebel ihre Anerkennung darin, dass mit den Soziologen Dennis Bray und Reiner Grundmann sowie Werner Krauß als Ethnologe drei ihrer Betreiber und Redakteure aus den Gesellschaftswissenschaften kommen. Damit ist die alte Forderung, die Kultur- und Sozialwissenschaften in die Klimaforschung einzubringen, zumindest hier Praxis geworden. Und schließlich war die Klimazwiebel von Anfang an grundsätzlich für alle Sprachen offen, selbst wenn in der Praxis fast alle Beiträge entweder auf Deutsch oder Englisch geschrieben sind.
Im Unterschied zu anderen Blogs, die offiziell im Namen einer Institution bestritten werden, repräsentiert die Klimazwiebel nichts anderes als die Meinungen ihrer Autoren, die den Blog aus privater Initiative und in eigener Verantwortung betreiben. Für die Blogbetreiber ist die Grenze zur wissenschaftlichen Arbeit natürlich fließend, da eigene Arbeiten zur Diskussion gestellt werden und die Kommentare wiederum auf diese zurückwirken. Je nach Intensität findet ein nahtloserÜbergang statt zwischen Arbeit und Blogosphäre. Im besten Fall wird der Blog zum Archiv, zur Experimentierwerkstatt für die Entwicklung eigener Ideen und oft genug auch zur Kampfzone, in der die Autoren aktuelle Debatten initiieren, sich einschalten und zu Wort melden. Es ist für jeden der Autoren eine ganz eigene Erfahrung, die Grenzen zwischen den Disziplinen und die zwischen Wissenschaft und anonymer Öffentlichkeit zu überschreiten. Oft ist es auch einfach Abenteuerlust: Hier bietet sich die Gelegenheit, neue Ideen auszuprobieren, den Kontakt mit der Öffentlichkeit, mit Kollegen und den Medien aufzunehmen und so den Schritt aus dem Elfenbeinturm heraus zu wagen.
Doch das eigentliche Salz in der Suppe sind die Debatten, die sich an die Beiträge anschließen. In der Diskussion mit pensionierten Ingenieuren, motivierten (Post-)Doktoranden, besorgten Bürgern oder internationalen Kollegen unterschiedlicher Disziplinen wird deutlich, dass die Blogosphäre ein „nervöses System“ ist – ein Begriff, den der Ethnologe Michael Taussig 59 verwendet, um komplexe Zusammenhänge zu veranschaulichen. Die Sorge um die eigene Reputation, die jeder Blogger verspürt, wenn er in diesem Medium auftritt, vermischt sich mit der Sorge um die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft, um die Gesellschaft und um das Klima – den Gründen, weshalb sie oder er dieses Medium nutzt. Es geht in den Klimadebatten immer auch um das Große und Ganze, wie es in Formulierungen wie „Die Zukunft unserer Kinder“, aber auch „Öko-“ oder „Klimadiktatur“ oder „Reglementierungswahn“ zum Ausdruck kommt; die Angst vor dem Weltuntergang – oder dessen Verneinung – mischt sich hier mit der vor dem gesellschaftlichen Zerfall. Dieses nervöse System ist so gesehen vergleichbar mit dem biologischen Nervensystem; es hält das Ganze in Bewegung, am Leben, am Laufen – in eine unbekannte Zukunft.
Die Klimazwiebel unterscheidet sich von vielen anderen Blogs, wo die Moderatoren zumeist ein strenges und oft auch ideologisch-politisch motiviertes Regime führen und abweichende Meinungen gar nicht erst zu Wort kommen lassen. Vor allem in den Blogs, die monatlich oft Zehn- oder gar Hunderttausende von Clicks haben und wo jeder Beitrag hundertfach kommentiert wird, sind die Kommentare zumeist auf Linie mit der Meinung des Autors, bestärken diese und mindern Gegenmeinungen pauschal herab. Dabei sind sogenannte „ad hominem“-Attacken häufig; man darf nicht vergessen, dass die Szene der Klimaforschung eine kleine Welt ist, in der gezieltes Namedropping durchaus effektiv ist. Auch diese Taktik führt dazu, dass die Welt der Blogs stark polarisiert ist.
In den USA kommt hinzu, dass die Klimadebatte politisch aufgeladen ist und Grenzüberschreitungen immer auch einen politischen Touch haben und daher seltener sind. Im deutschen Sprachraum stellt sich die Lage ganz anders dar. Hier herrscht ein viel größerer Konsens hinsichtlich des Klimawandels, und die Skeptiker haben deutlich weniger Einfluss in der
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