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Die Klimaprioritaeten

Titel: Die Klimaprioritaeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Streck
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den herkömmlichen Geschäftsrisiken in Entwicklungsländern.
    |156| Ein anderes Problem: Fiktive Emissionseinsparungen und solche, die auch ohne den CDM erreicht worden wären. Die Behauptung eines Unternehmers, ein Vorhaben würde nicht ohne CDM-Investition stattfinden, kann oft schwer überprüft werden. So könnten Projektentwickler, die eine Biogasanlage ohnehin bauen wollten, dies verschweigen, um sich CDM-Finanzen zu sichern. Firmen, die Klimaschutzvorhaben entwickeln, können auch »Weiter-so-Szenarien« aufstellen mit einem hohen Ausstoß an Treibhausgasen, sodass mögliche CDM-Projekte zu viele Emissionsgutschriften erbringen.
    »Milliarden für den UN-Klimamarkt vergeudet«, titelte im Mai 2008 der Guardian und attestierte dem CDM Versagen auf breiter Front. Das Instrument werde von beiden Seiten missbraucht: Europäische Firmen zahlten für dubiose Projekte, für die sie billige handelbare Emissionsgutschriften erhalten würden, und Unternehmen in Entwicklungsländern kämen so in den Genuss von Extraeinnahmen. Auch eine Recherche des BBC World Service in Indien fand heraus, dass zwei Vorhaben (ein Reisexporteur ersetzt Diesel- durch Biogasgeneratoren, eine Firma baut ein Wasserkraftwerk am Fuße des Himalaja)
Emissionsgutschriften
im Wert von mehreren Millionen US-Dollar beantragen und auch erhalten würden, obwohl die Betreiber zugaben, dass die Erträge aus dem Verkauf der
Emissionsgutschriften
für die Durchführung der Projekte nicht notwendig wären.
    Eine Untersuchung der kalifornischen Stanford University vom Frühjahr 2008 resümiert, dass die Mehrzahl der CDM-Projekte gemäß dem Additionalitätskriterium gar nicht gefördert werden sollte, da sie ohnehin gebaut würden werden. Fast alle neuen Wasserkraftwerke und Windparks, die in China bis 2012 errichtet werden sollen, bewerben sich um den CDM-Status, obwohl die Regierung in Peking diese Projekte selbst plant und |157| aktiv unterstützt. Im Ergebnis werden zwar wünschenswerte Vorhaben mit erneuerbaren Energien gefördert und auch Emissionen eingespart, aber sie widersprechen einem entscheidenden Kriterium für den CDM. Die amerikanische
Umweltorganisation
International Rivers will sogar herausgefunden haben, dass drei Viertel der CDM-Projekte bereits fertig gestellt seien zum Zeitpunkt, wenn ihr CDM-Status überhaupt erst genehmigt werde – eine Zahl, die von der UN und Experten energisch bestritten wird.
    Darum fordern Umweltverbände, darunter Gruppen wie »CDM Watch«, aber auch die Partei Die Linke, ein Moratorium für CDM-Vorhaben in Entwicklungsländern. Ein erheblicher Teil der Emissionsgutscheine aus diesen Projekten würde »ungedeckten Schecks« gleichkommen. Die Vorhaben könnten nicht nachweisen, dass sie auch wirklich einen zusätzlichen Beitrag zum Klimaschutz leisteten. Industrieländer würden somit weit mehr Kohlendioxid ausstoßen als angekündigt. »Die bisherigen Erfahrungen mit CDM-Projekten zeigen in frappierender Weise die Grenzen dieses marktwirtschaftlichen Instruments. Es verdichten sich Hinweise, dass mit ihnen in
Entwicklungsländern
Missbrauch betrieben wird«, schrieb die Fraktion der Linken im Bundestag.
    Das sind alles schwere Geschütze gegen einen innovativen Baustein internationaler Klima- und Entwicklungspolitik, den viele Umweltaktivsten vom Grundsatz her ohnehin mit dem immer gleichen Argument ablehnen: Er sanktioniert den Status quo in den Industriestaaten.
    Also der Reihe nach.
    Natürlich muss sichergestellt werden, dass Industrieländer, in denen der Kohlendioxid-Ausstoß pro Kopf ungleich höher ist, den Löwenanteil der Emissionseinsparungen selbst übernehmen. Aber dafür ist gesorgt. Die EU-Staaten und vom Emissionshandel |158| betroffene Firmen dürfen nur einen bestimmten Anteil an Emissionsrechten aus CDM-Projekten »importieren«. Dies regeln die EU-Kommission und jeweilige nationale Zuteilungspläne. In Deutschland sind dies 22 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt allerdings noch darunter, bei etwa 12 Prozent. Das heißt, die Unternehmen aus den EU-Staaten müssen ihre Hausaufgaben machen und können sich nicht »freikaufen«.
    Ansonsten gilt: Da es dem Klima egal ist, wo auf der Erde mehr oder weniger Kohlendioxid in die Luft geblasen wird, ist es vom Prinzip her auch egal, wo es reduziert wird. Da sich in Entwicklungsländern mit erheblich weniger Geld erheblich mehr Emissionen verringern lassen, ist gegen diesen Mechanismus grundsätzlich nichts einzuwenden. Es muss natürlich

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