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Die Klinge der Träume

Die Klinge der Träume

Titel: Die Klinge der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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zum Wanderzirkus herübersah. Endlich brachte er Pips wieder unter Kontrolle. Der Wallach schnaufte schwer, als wäre er zu lange zu hart geritten worden, aber er versuchte nicht länger davonzustürmen.
    Es war zu spät. Vermutlich war es das schon von Anfang an gewesen. Mit dem Hut in der Hand sprang der dicke Hausierer vom Kutschbock, um nachzusehen, was eigentlich mit seinen Pferden war. Bei der Landung stolperte er unbeholfen und schaute nach unten. Der Hut fiel ihm aus der Hand, landete auf der harten Straße. Das war der Augenblick, in dem er zu schreien anfing. Das Kopfsteinpflaster war weg, und er stand bis zu den Knöcheln in die Straße versunken, genau wie seine kreischenden Pferde. Bis zu den Knöcheln versunken und tiefer in den steinharten Lehm hineinsinkend, als wäre es ein Sumpf, genau wie sein Gespann und der Wagen. Und das Dorf mit seinen Häusern und Menschen sackte langsam in den Boden. Die Leute hielten nicht in ihren Beschäftigungen inne. Frauen gingen mit ihren Körben am Arm weiter, ein paar Männer trugen einen großen Baumstamm auf den Schultern, Kinder liefen umher, der Bursche am Schleifstein schärfte sein Beil, und sie alle befanden sich mittlerweile knietief im Boden.
    Tuon griff an der einen Seite nach Mats Mantel, Selucia an der anderen. Erst da wurde ihm bewusst, dass er Pips angetrieben hatte. Auf den Hausierer zu. Beim Licht!
    »Was glaubt Ihr tun zu können?«, wollte Tuon wild wissen.
    »Nichts«, erwiderte er. Sein Bogen war fertig, die Hornkerben angepasst, die Leinensehne geflochten und gewachst, aber er hatte noch nicht eine Pfeilspitze an den Eschenholzstab angelegt, und wegen des vielen Regens in der letzten Zeit war der Leim, der die Befiederung aus Gänsefedern hielt, noch immer klebrig. Das war alles, woran er jetzt denken konnte, an die Gnade eines Pfeils in das Herz des Hausierers, bevor er vom Boden verschluckt wurde. Würde der Mann sterben, oder wurde er dorthin befördert, wohin auch immer die toten Shiotaner gingen? Das war es, was ihn bei den Gebäuden stutzig gemacht hatte. So baute die Landbevölkerung in Shiota seit fast dreihundert Jahren.
    Er konnte den Blick nicht losreißen. Der versinkende Hausierer schrie laut genug, um über das Kreischen seiner Pferde gehört werden zu können.
    »Hilfe!«, schrie er und fuchtelte mit den Armen. Er schien Mat direkt anzusehen. »Helft mir!« Immer wieder.
    Mat wartete darauf, dass er starb, er hoffte, dass er starb - sicherlich war das besser als das andere -, aber der Mann schrie weiter, während er bis zur Taille versank, dann bis zur Brust. Verzweifelt warf er den Kopf zurück wie ein Ertrinkender, schnappte ein letztes Mal nach Luft. Dann verschwand sein Kopf und nur die Arme blieben, die wild umherfuchtelten, bis auch sie verschwanden. Nur der auf der Straße liegende Hut verriet, dass da je ein Mann gewesen war.
    Als die letzten Strohdächer und hohen Schornsteine verschwunden waren, stieß Mat die Luft aus. An der Stelle, an der sich das Dorf befunden hatte, war eine weitere Wiese mit Wildblumen, auf der rote und gelbe Schmetterlinge von Blüte zu Blüte flatterten. So friedlich. Er wünschte sich, er könnte glauben, dass der Hausierer tot war.
    Abgesehen von den wenigen Wagen, die Luca auf die Wiese gefolgt waren, standen die anderen noch auf der Straße, und jeder war abgesprungen; Frauen trösteten weinende Kinder, Männer versuchten zitternde Pferde zu beruhigen, und jeder sprach furchtsam und vor allem laut, um sich über dem Lärm der Löwen, Bären und Leoparden verständlich machen zu können. Nun ja, jeder mit Ausnahme der drei Aes Sedai. Sie rauschten eilig die Straße entlang, Joline mit Blaeric und Fen im Schlepptau. Den Mienen der Aes Sedai wie auch der Behüter nach zu urteilen hätte man glauben können, dass im Erdboden versinkende Dörfer so gewöhnlich wie Hauskatzen waren. Die drei Frauen blieben neben dem breiten Hut des Hausierers stehen und starrten ihn an. Teslyn hob ihn auf und drehte ihn in den Händen um, dann ließ sie ihn fallen. Die Schwestern begaben sich auf die Wiese, wo das Dorf gestanden hatte, diskutierten, sahen sich dies und das an, als könnten sie etwas von den Wildblumen und dem Gras erfahren. Keine von ihnen hatte sich die Zeit genommen, einen Umhang umzuwerfen, aber dieses eine Mal konnte ihnen Mat das nicht zum Vorwurf machen. Möglicherweise benutzten sie die Macht, aber wenn dem so war, reichte die Menge nicht aus, um den Fuchskopf erkalten zu lassen. Er hätte es

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