Die Klinge der Träume
auch, in den Ärmeln, unter dem Mantel.
Selucia wandte sich in der Zeichensprache an Tuon, und plötzlich waren sie mit blitzenden Fingern in eine Diskussion vertieft. Natürlich konnte das nicht sein - Tuon besaß Selucia, so wie man einen Hund besaß, und man diskutierte nicht mit seinem Hund -, aber es schien eine Diskussion zu sein, und beide Frauen hatten die Unterkiefer stur nach vorn geschoben. Schließlich faltete Selucia die Hände und beugte fügsam den Kopf. Eine zögernde Unterwerfung.
»Alles wird gut gehen«, sagte Tuon fröhlich zu ihr. »Du wirst sehen. Alles wird gut gehen.«
Mat wünschte sich, er wäre da so sicher gewesen. Er holte tief Luft, hielt ihr erneut das Handgelenk für ihre Hand hin und folgte Thom.
Der geräumige, holzgetäfelte Gemeinschaftsraum des We i - ßen R i ngs beherbergte mehr als zwei Dutzend Männer und Frauen, von denen offensichtlich mehr als die Hälfte Fremde waren. Sie saßen an rechteckigen Tischen unter einer mit vielen Balken versehenen Decke. Alle waren ordentlich in feine Wolle mit nur wenig Verzierungen gekleidet; die meisten unterhielten sich größtenteils nur zu zweit leise über ihren Wein gebeugt, die Umhänge über die niedrigen Lehnen der Stühle gehängt. An einem Tisch saßen allerdings drei Männer und eine Frau mit langen, perlengeschmückten Zöpfen und würfelten mit hellroten Würfeln. Aus der Küche kamen angenehme Düfte, einschließlich dem nach bratendem Fleisch. Vermutlich Ziege. Neben dem breiten Steinkamin, in dem ein Feuer loderte und auf dessen Sims eine Messinguhr stand, schwang eine junge Frau die Hüften und sang. Sie war fast so gut ausgestattet wie Selucia - und die beinahe bis zur Taille aufgeschnürte Bluse bewies dies. Sie wurde begleitet von Flöte und Zimbel und sang von einer Frau, die mit ihren vielen Liebhabern jonglierte. Sie sang mit passend schlüpfriger Stimme. Keiner der Gäste schien zuzuhören.
»An e in em sc h öne n Fr üh l ing s tage , tra f i ch d en ju ng en ]a c b e im H eum ac he n , se in Ha ar s o sc hön wi e se i ne Vi sage .
Ich gab ih m ei nen Ku ss, wie hätte ich nicht?
Wir sc hm ust en u nd k itz elte n uns bis zu m Vo rmittag e, und wi e er mich zum Seufzen br achte, das verrat' ich ni cht .«
Tuon senkte die Kapuze, blieb in der Tür stehen und blickte sich stirnrunzelnd um. »Seid Ihr sicher, dass das auch eine Spelunke ist, Meister Merrilin?«, fragte sie. Dem Licht sei Dank mit leiser Stimme. An einigen Orten konnte eine solche Frage einen wieder hinausbefördern, und zwar auf die grobe Weise, ob man nun Seide trug oder nicht. An anderen verdoppelten sich die Preise einfach.
»Ich versichere Euch, Ihr werdet nirgendwo in Maderin zu dieser Stunde eine größere Ansammlung von Dieben und Schurken finden«, murmelte Thom und strich sich über den Schnurrbart.
»fetz t ha t J ac e in e St un de , we nn Hi mm el is t kl ar , und Willi die, wenn der Vater ist nicht nah.
Mor il tr e ff ic h im He us ch o ber , de nn e r ke nn t k ei ne Fur cht , und Keilin kommt mitt ag s; er kennt keine Eifersucht !
Lor d Br el an k o mmt a b en ds , w enn di e Na cht i st so ka lt . Meister Andr il den Morg en, denn er ist so alt.
Was soll ein armes Mädchen bloß anderes tun? So viele Liebhaber und am Tag so wenig St und '.«
Tuon sah wenig überzeugt aus, aber zusammen mit Selucia ging sie zu der Sängerin, die sich einen Moment lang von ihrer intensiven Musterung irritieren ließ, bevor sie mit dem Lied weitermachte. Sie sang über Tuons Kopf hinweg in dem offensichtlichen Versuch, sie zu ignorieren. Anscheinend fügte die Frau bei jeder neuen Strophe ihrer Liste einen weiteren Liebhaber hinzu. Der Musikant, der die Zimbel spielte, lächelte Selucia an und erhielt einen frostigen Blick als Antwort. Die beiden Frauen zogen auch andere Blicke auf sich, war doch die eine so klein und mit ausgesprochen kurzen Haaren versehen, während die andere der Sängerin Konkurrenz machte und ein Kopftuch trug, aber es blieb bei den Blicken. Die Gäste kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten.
»Es ist keine Spelunke«, sagte Mat leise, »aber was ist es dann? Warum sollten mitten am Tag so viele Leute hier sein?« Auf diese Weise füllten sich Gemeinschaftsräume für gewöhnlich nur morgens und abends.
»Die Ortsansässigen verkaufen Olivenöl, Lackarbeiten oder Spitze«, erwiderte Thom genauso leise, »und die Fremden kaufen. Anscheinend ist es hier Brauch, mit ein paar Stunden Unterhaltung bei einem Becher
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