Die Klinge des Löwen 01
Ende brachte er Titus zum Stehen.
Er ließ sich
aus dem Sattel gleiten und schlich zu der Stelle, wo die Hecke
aufhörte. Ohne die Deckung zu verlassen, gewann er endlich die
Sicht auf die Brücke. Was er sah, gefiel ihm überhaupt
nicht. Neben einem Bretterverschlag, der wohl als Zolleinrichtung
diente, waren zwei Pferde angebunden. Eines davon mochte dem Zöllner
gehören, aber das andere konnte nur das Roß jenes
kampfmäßig gerüsteten Mannes sein, der müßig
auf der Brücke hin und her schlenderte.
Weit wichtiger
schien ihm jedoch, was sich südwärts abspielte - vor einer
quer verlaufenden Reihe von Weiden und einzelnen Bäumen, die das
Ufer des Erlenbachs säumten. Dort schien allerhand los zu sein.
Er machte eine Schar von sechs oder sieben Berittenen aus, deren
Rosse sich unruhig hin und her bewegten, als lägen ihre Reiter
miteinander im Streit. Einzelne Wortfetzen, die der Wind
herüberwehte, deuteten auf eine lautstark geführte
Auseinandersetzung hin. Kein Zweifel, dort bahnte sich ein Kampf an!
Dietrich war im Nu
klar, daß Giselbert und Roland in Bedrängnis geraten sein
mußten. Es galt jetzt, sehr schnell zu handeln, wenn er
verhindern wollte, daß es dort vorne zu einem Unglück kam!
Aber zuvor mußte er seine wartenden Schützlinge warnen.
Sorgfältig die Deckung ausnutzend, ritt er eilig zu der kleinen
Schar zurück, unterrichtete sie von dem, was er gesehen, und
traf seine Anordnungen.
„ Bleibt hier in Deckung,
bis ich weiß, was dort vorne los ist. Es sieht mir nach
drohendem Händel aus, wobei Roland und Giselbert es
offensichtlich mit einem zahlenmäßig überlegenen
Gegner zu tun haben.“
„ Das ist nicht gut“,
entgegnete Erdmann mit einem seltsamen Lächeln. „Und
bedenkt, Herr - Roland ist noch kein vollwertiger Kämpfer.“
„ Mag sein. Trotzdem glaube
ich, daß er sich seiner Haut zu wehren weiß! Was immer
auch geschieht, Erdmann, du bleibst zum Schutz der Frauen und des
Knaben hier. Ich werde bald wissen, was da drüben vor sich geht!
Wartet also hier, bis man euch holt.“
Mit diesen Worten
trieb er sein Streitroß an, wobei er abermals den Schutz des
Dickichts ausnutzte. Als er dann die freie Fläche vor sich
hatte, stieß er dem Rappen die Absätze in die Weichen und
brach im Galopp aus der Deckung hervor. Sporen trug er nicht, weil er
sie niemals brauchte. Titus war trotz seiner mächtigen Gestalt
derart feinfühlig, daß er auf jede Bewegung seines Herrn
sofort reagierte.
Er hielt in gerader
Linie auf die in bedrohlicher Bewegung befindliche Reiterschar zu.
Während sein Roß dem Ziel entgegenpreschte, nahm er wahr,
wie die Bewegung der noch fernen Pferde erstarb. Er zählte sechs
Berittene. Zwei von ihnen trennten sich jetzt um einige Pferdelängen
von den anderen. 'Das müssen Roland und Giselbert sein!' war
sein erster Gedanke.
Inzwischen konnte er
auch Einzelheiten ausmachen. Er erkannte Rolands Hund, der die beiden
etwas abseits verharrenden Reiter umkreiste. Und er sah, daß
die anderen ihre Waffen gezogen hatten und mühsam ihre nervösen
Pferde zur Ruhe zu zwingen schienen. Mit gewaltigen Sätzen
stürmte Titus dahin. Das Trommeln seiner Hufe erfüllte die
Luft mit dumpfem Dröhnen. Vereinzelte Büsche, die ihre
blattlosen Zweige in die Luft streckten, huschten wie Schemen an
Dietrichs Augen vorbei, während er in voller Karriere auf die
Reiterschar zujagte.
Zwischen den fremden
Kriegern und seinen eigenen Leuten brachte Dietrich den Hengst zum
Stehen.
„ Was geht hier vor?“
rief er Roland und Giselbert zu.
Die beiden drängten
ihre Pferde in seine Nähe. Greif hielt sich instinktiv etwas
abseits, als ahnte er, daß er bei einem plötzlichen
Zusammenprall der Gegner unter die stampfenden Hufe der erregten
Rosse geraten könnte.
Giselbert deutete in
seiner bedächtigen Art auf die Fremden. „Diese
Herrschaften wollen uns den Weiterritt verwehren.“
Dietrich wendete
sein Roß den fremden Reitern zu. „Wer seid ihr, daß
ihr es wagt, friedliche Leute zu belästigen?“
Aus der gegnerischen
Schar löste sich einer der Berittenen und trieb sein Pferd ein
paar Schritte nach vorn. Der im Sattel sitzende Mann schien von
kleiner Gestalt, er hatte einen runden Kopf mit kurzgeschorenem
braunem Haar und listige Augen. An seinem Sattel hing ein Eisenhelm,
während den anderen lediglich mit Eisenbändern verstärkte
Lederhelme als Kopfschutz dienten.
Während der
Fremde mit der Linken die Zügel hielt, ließ er den rechten
Arm, das blanke Schwert in der
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