Die Klinge des Löwen 01
eine Furt. Ich werde währenddessen die
Richtung am Bach entlang einschlagen, um sie zu suchen." Er sah
Roland aufmerksam an. "Hast du alles verstanden?“
Es war dem Jungen
anzusehen, daß er stolz darauf war, eine wichtige Rolle
übernehmen zu dürfen. Seine Augen blitzten in jugendlichem
Überschwang. „Ja, Herr, auf mich könnt Ihr Euch
verlassen!“ beteuerte er eifrig. Dann rief er Greif mit einem
kurzen Befehl an seine Seite, zog sein Roß herum und
galoppierte davon.
Dietrich sah ihm
einen Moment schweigend nach. Schließlich wandte er sich
Giselbert zu. „Bleib' du vorläufig hier und behalte das
Dorf im Auge! Ich glaube nämlich nicht, daß wir die Kerle
wirklich losgeworden sind. Wahrscheinlich holen sie jetzt
Verstärkung. Nach dem, was ich eben hörte, vermute ich, daß
sie Befehl haben, die Gräfin zu entführen. Weiß der
Teufel, wie der Geroldsecker erfahren hat, daß wir mit ihr
unterwegs sind!"
Er schwieg einen
Moment nachdenklich, um dann hinzuzusetzen: "Auf jeden Fall ist
es für uns nach allem, was geschehen ist, nicht ratsam, die
Brücke von Biberaha zu überqueren und auf der anderen Seite
der Künzig weiterzureiten. Wir wären zu sehr in Reichweite
des Geroldseckers.“
Giselbert nickte mit
gleichmütiger Miene. Trotz des blutigen Zwischenfalles schien
der Mann unbeeindruckt. „Wir müssen also den
beschwerlichen Weg wählen! Ach, es wird schon gehen, Herr. An
mir soll's nicht fehlen! Wie lange muß ich hier Wache halten?“
„ Sobald wir einen für
die Frauen geeigneten Übergang durch den Erlenbach gefunden
haben, lasse ich dich durch Roland holen.“
Dietrich nickte
seinem Kriegsknecht kurz zu, wandte dann sein Roß und ritt
langsam an dem schäumenden Bach entlang. Mit Unbehagen sah er,
daß die Wellen häufig über die Ufer schlugen. Auf
seiner Suche nach der vermuteten Furt gelangte er bis zum Eingang des
Hademarstales, aus dem der zu dieser Jahreszeit hochgehende Bach
hervorbrach. Dietrich kam selten in diese Gegend und kannte sich hier
nicht sonderlich gut aus. Er wußte nur, daß dort, wo der
Wildbach sich mit jenem des Nachbartales vereinigte und zum Erlenbach
wurde, eine seichte Stelle sein mußte.
Kritisch betrachtete
Dietrich die dunklen Wassermassen, die brausend an ihm
vorüberschossen und ihre schaumgekrönten Wellen für
seinen Geschmack etwas zu oft und zu weit über die Ufer
schleuderten. Schon bald mußte er einsehen, daß der
reißende Bach keine Möglichkeit bot, auch nur halbwegs
trockenen Fußes das andere Ufer zu erklimmen. So weit das Auge
reichte, gab es nirgends eine Brücke. Die einzige Stelle, an der
das Wasser nicht ganz so hoch ging, war die Stelle des
Zusammenflusses der beiden Wildbäche. Hier war das Flußbett
infolge einer breiten Ausbuchtung etwas flacher. Das war aber auch
alles. Eine regelrechte Furt war es nicht, aber Dietrich wußte,
daß er keine andere Wahl hatte, als seine kleine Schar genau
hier auf die andere Seite zu führen.
Er sprang aus dem
Sattel und überließ Titus sich selbst. Während der
Rappe zu grasen begann, besichtigte Dietrich den ausgebuchteten
Uferstreifen, um die günstigste Stelle für einen Übergang
zu finden.
Nach einiger Zeit
hörte er, durch das Rauschen der Wassermassen gedämpft,
Hufschlag und sah auf. Ein Reitertrupp, der sich dicht am Ufer
entlangbewegte, näherte sich. Dietrich erkannte Roland, der
vorausritt, und dessen Hund, der neben seinem Pferd herlief. Einige
Pferdelängen dahinter ritt die Gräfin mit dem Kleinen vor
sich im Sattel, gefolgt von ihrer Zofe. Den Schluß bildete
Erdmann mit dem Saumroß.
Als Roland ihn
erreicht hatte und sich vom Pferd schwingen wollte, hielt Dietrich
ihn mit einer Handbewegung zurück. „Bleib' im Sattel,
Knappe, und hole jetzt Giselbert! Aber beeilt euch, der Flußübergang
wird uns viel Zeit kosten!“
Roland grüßte
seinen Herrn mit einer Handbewegung und trieb sein Roß, an den
anderen vorbei, in schneller Gangart wieder bachabwärts.
„ Wo reitet denn der Junge
jetzt hin?“ rief Gräfin Ida schon von weitem in besorgtem
Ton. Dietrich sah, daß sie alle Hände voll zu tun hatte,
ihren kleinen Sohn davon abzuhalten, vom Pferd zu klettern.
„ Er holt Giselbert“,
sagte Dietrich, als sie nahe herangekommen war. Er konnte sich eines
Schmunzelns nicht erwehren, als er sah, daß die Gräfin nur
mit Mühe den unruhigen Bernhard zu bändigen vermochte. „Mir
scheint, Euer Sohn hat Langeweile!“
Die junge Frau mußte
lachen. „Da mögt Ihr recht haben. Das
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