Die Klinge des Löwen 01
habe, wo meine Begleiter ungestört
warten können. Dann kann ich mir auch ein Bild über die
Lage an der Brücke machen und entscheiden, welchen Weg wir
nehmen.“
Der Knappe nickte,
wandte sein Pferd und rief dem Hund mit unterdrückter Stimme
einen Befehl zu. Langsam entfernten sie sich. Erst als sie außer
Sicht waren, setzte auch Dietrich mit den anderen seinen eigenen Weg
fort.
Er hielt sich mit
seinem Reitertrupp sorgfältig im Sichtschutz der Bäume und
dicht unter dem steilen Hang eines langgezogenen Bergrückens,
der sich wie ein Riegel zwischen das dahinter liegende Tal und das
Dorf Biberaha schob. Auf diese Weise gelangten sie schließlich
zu einer Stelle, wo der Bergrücken abrupt abbrach. Dietrich
bedeutete seiner Gruppe, im Schutz des Gehölzes zu verweilen,
während er Titus langsam einige Schritte ins freie Feld bewegte.
Dort zügelte er sein Roß und begann sich umzusehen.
Vor seinen Augen
breitete sich eine weite, von der Künzig und ihren Nebenarmen
beherrschte Talaue aus. Es war eine mit verstreut wachsenden Erlen,
Eschen, Weiden und einzelnen Pappeln bestandene Ebene. Sie gab den
Blick frei auf die im fernen Hintergrund emporwachsenden
Schwarzwaldberge, deren dunkle Rücken sich zum Flußtal
niederbeugten. Auf den Nordhängen der höheren Lagen
blinkten im Sonnenlicht blendend weiß einzelne Schneefelder. In
der blauen, dunstigen Ferne, dort, wo die bewaldeten Berge sich enger
zusammenschoben und das Tal scheinbar endete, lag die Husenburg - ihr
erstes Reiseziel.
Von Dietrichs
Standort aus unmittelbar zu seiner Linken öffnete sich im Osten
das von einem Bach durchflossene Hademarstal. Er hatte davon reden
hören, daß dieser Flußlauf im Gebiet des
Löcherberges aus der Vereinigung kleiner Gebirgsrinnsale
hervorgehe. Er wußte auch, daß dieser an sich harmlose
Bach weiter hinten im Tal sich mit einem anderen Wasserlauf aus dem
nördlich liegenden Nachbartal vereinigte und dieses
zusammengeflossene Gewässer von den Bewohnern der Region
Erlenbach genannt wurde. Dietrich vermutete, daß der Erlenbach
jetzt im Frühjahr, während der Schneeschmelze auf den
Bergen, wohl eher als reißender Fluß der Künzig
zustrebte. Mißmutig dachte er daran, daß sie ihn
überqueren mußten, falls er sich dafür entschied, die
Brücke über die Künzig nicht zu benutzen!
Prüfend ließ Dietrich seinen Blick über die Landschaft schweifen,
die still vor ihm lag. Bernhard, der kleine Zappelphilipp, saß
jetzt infolge der neuen Eindrücke, die ihn beschäftigten,
ruhig und gesittet vor ihm. Dietrichs scharfes Auge konnte
ungehindert auch weiter entfernte Einzelheiten wahrnehmen. Die im
Hintergrund erkennbaren Bäume und Sträucher waren noch ohne
Laub. Im Vordergrund sah er in einer Entfernung von etwa zweihundert
Schritt eine Hecke, die sich gleich einer Mauer vor ihm erhob und ihm
die Sicht dorthin versperrte, wo er die Brücke vermutete.
Gleichzeitig erkannte er aber auch den Vorteil, den das Gesträuch
bot. Er wandte sein Roß und kehrte zu den anderen zurück.
„ Was nun?“ fragte
Gräfin Ida neugierig. Sie sah den Ritter mit ihren dunklen Augen
eher herausfordernd, denn ängstlich an.
Dietrich drängte
seinen Rappen an die Seite ihres Zelters. „Ich glaube, wir sind
bereits nahe bei der Brücke, aber ich will mir Gewißheit
verschaffen. Ihr müßt mir den Knaben für eine Weile
abnehmen.“
Er hob Bernhard
empor und setzte ihn behutsam vor Gräfin Ida auf den Rücken
ihres Pferdes. Die junge Mutter umfaßte den Kleinen liebevoll
mit ihren Armen. „Komm her, du Unruhegeist. Dietrich hat im
Augenblick andere Sorgen, als dich zu bändigen!“
Der junge Ritter
schmunzelte, wurde jedoch schnell wieder ernst. "Ich lasse Euch
und Eure Begleitung jetzt für eine Weile allein. Wenn ich
zurückkomme, ist das Problem, das uns hier festhält,
wahrscheinlich beseitigt!"
"Hoffentlich
habt Ihr recht!" seufzte Ida.
"Macht Euch
keine Sorgen", entgegnete er leichthin. "Wir werden es
schon schaffen!"
Er nickte ihr
aufmunternd zu, zog dann eilig sein Pferd herum, um zu vermeiden, daß
Ida wieder bohrende Fragen stellte. Langsam näherte er sich dem
Dickicht, das ihn vor neugierigen Blicken von der anderen Seite
schützte. Er sah bald, daß er eine langgezogene
Schlehdornhecke vor sich hatte, deren zahllose weiße Blüten
geöffnet waren und die wie eine beschneite Insel in der sonst
offenen Landschaft stand. Als er sie erreicht hatte, ritt er im
Schritt an der dem Fluß abgewandten Seite entlang. Kurz vor
ihrem
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