Die Klinge des Löwen 01
Hände zu einer Steighilfe, in die Ida ihren kleinen,
nackten linken Fuß setzte und sich von ihm auf ihren
Damensattel heben ließ. Sie dankte Dietrich mit einem
strahlenden Lächeln, das seine Aufmerksamkeit weckte. Warum sah
sie ihn so eigentümlich an? War das nur die Höflichkeitsgeste
der Höhergestellten? Verwirrt wandte er sich Klein-Bernhard zu,
und der dunkelgelockte Knabe faßte ihn zutraulich bei der Hand.
Erdmann, der
ebenfalls abgestiegen war, ließ die gleiche Hilfe, wenn auch
ziemlich hölzern und dabei verlegen grinsend, der Zofe zuteil
werden. Diese schien die halbwegs höfliche Geste des
Kriegsknechtes eher als Zudringlichkeit aufzufassen. Sie bekam einen
roten Kopf, und als sie endlich mit nackten Füßen seitlich
im Sattel saß, bedachte sie ihren Helfer mit einem strafenden
Blick. Er wandte sich mit einem verschlagenen Lächeln ab und
ging zu seinem Pferd zurück.
Noch etwa eine halbe
Meile entfernt, entlang dem weidenbestandenen Bachufer, wo sich ein
lichtes Gehölz bis zu dem hinter den Reisenden aufragenden
Bergrücken erstreckte, bewegten sich zwei Reiter auf sie zu.
Dietrich erkannte an dem schattenhaft zwischen den Bäumen
dahinjagenden Hund, der vor den Pferden herlief, daß es niemand
anderer sein konnte, als Giselbert und Roland. Es kam ihm so vor, als
befänden sie sich in großer Eile.
Bevor die beiden sie
erreicht hatten, war Greif heran und umsprang mit freudigem Gewinsel
und flachgelegten Ohren den Rappen Dietrichs, der ihn zur Begrüßung
prustend mit der Nase anstieß.
„ Ein größerer
Reitertrupp zieht von Biberaha hinter uns her“, überbrachte
Roland die Hiobsbotschaft.
„ Es sind ungefähr zehn
bis zwölf Bewaffnete“, ergänzte Giselbert in seiner
bedächtigen Art.
Dietrich nickte mit
finsterer Miene. „Wieviel Vorsprung haben wir?“
Roland sah Giselbert
fragend an. Dieser überlegte und meinte dann: „Die Zeit
könnte gerade reichen, um ungehindert über den Erlenbach zu
kommen.“
„ Dann vorwärts,
beeilen wir uns!“ sagte Dietrich entschlossen und traf
unverzüglich seine Anordnungen: „Erdmann, du kommst mit
mir! Wir werden zunächst Gräfin Ida auf ihrem Zelter
zwischen unsere Rosse nehmen und mit ihr den Wildbach überqueren.
Ich halte mich auf der unmittelbar dem Fluß zugewandten Seite,
so daß Titus die Wellen bricht und dem Zelter eine Art Schutz
vor dem Anprall der Wassermassen verschafft. Du, Erdmann, sicherst
die flußabwärts gerichtete Seite der Gräfin. Ich
denke, so kommen wir ungefährdet hinüber. Dasselbe Manöver
führen wir dann mit Bertha durch. Der Knabe bleibt so lange mit
Giselbert und Roland zusammen auf dieser Seite, bis ich zurückkomme.
Das Saumpferd holen wir ebenfalls später.“
Roland drängte
plötzlich seinen Kastanienbraunen vor. „Herr, warum nehmt
Ihr nicht mich zur Sicherung für die Gräfin?“
Dietrich betrachtete
ihn skeptisch. „Gemach, gemach, Knappe! Graf Max sagte mir
zwar, daß du ein ausgezeichneter Reiter seiest - aber bisher
gab es noch keine Gelegenheit, dich auf die Probe zu stellen. Jetzt
ist jedenfalls nicht der richtige Augenblick, es auszuprobieren.“
Als er die
Enttäuschung auf Rolands Gesicht sah, fügte er besänftigend
hinzu: „Nun mach nicht so ein Gesicht! Erdmann ist ein
erfahrener Kämpe, und sein Pferd ist ausgeruht. Du bist ein
junger Bursche und wirst noch genug Gelegenheit finden, deinen Mut zu
beweisen. Vergiß nicht, daß man hinter uns her ist und
wir schon deshalb kein Risiko eingehen können! Das begreifst du
doch?“
Roland preßte
die Lippen zusammen und nickte wortlos.
Dietrich schwang
sich in den Sattel und ergriff die Zügel des Zelters. Ida hatte
ihr Kleid bis über die Knie gerafft und saß barfuß
im Damensitz auf dem Reitkissen, die Füße wie zuvor auf
das für diese Zwecke am Pferd angeschnallte Stützbrettchen
gestellt. Dietrich musterte etwas verlegen ihre schlanken weißen
Beine und schüttelte den Kopf.
„ Verzeiht, Gräfin,
aber so geht es nicht. Ihr müßt im Männersitz reiten,
sonst habt Ihr in dem reißenden Wasser keine Gewalt über
Euer Roß.“
Ida warf dem Ritter
einen eigentümlichen Blick zu. Wortlos schwang sie ihr rechtes
Bein über den Pferderücken.
"Ist es Euch
recht so?" fragte sie ironisch, nachdem sie sich zurechtgesetzt
hatte.
Er fühlte, daß
er rot wurde. „Es dient Eurer Sicherheit, Herrin. Haltet Euch
bitte an der Mähne fest.“ In der Linken hielt er die Zügel
seines Hengstes, mit der anderen Hand zog er den Zelter der
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