Die Klinge des Löwen 01
trugen
ihn die rauschenden Fluten davon, ehe es ihm gelang, das jenseitige
Ufer zu gewinnen. Nachdem er sich ausgiebig das Wasser aus dem Fell
geschüttelt hatte, jagte er zurück zu der Stelle, die sein
Herr und die anderen eben zu erreichen suchten.
Das Pferd der Gräfin
befand sich nun sicher zwischen Dietrichs und Rolands Reittier. Ohne
weitere Schwierigkeiten gelang es ihnen, unter Führung des
braven Rappen die rettende Böschung zu erklimmen. Schnaubend
kletterte Titus ans Ufer. Greif, der ihn schon ungeduldig erwartete,
sprang schweifwedelnd und japsend an ihm empor.
„ Zurück!“ rief
Dietrich, denn das Roß war nach den hinter ihm liegenden
Strapazen nicht zu Späßen aufgelegt. Beleidigt legte der
Hund sich abseits ins Gras. Nichts konnte man diesen Zweibeinern
recht machen...
Als sie sich auf dem
Trockenen befanden, sah Dietrich sich nach Erdmann um. Er erblickte
den Kriegsknecht in einiger Entfernung, wie er ohne Pferd an Land
kletterte. Sein Roß kämpfte immer noch mit den Wellen und
schien verloren.
„ Gräfin“, sagte
Dietrich, „macht es Euch etwas aus, wenn wir Euch eine Weile
hier allein lassen? Roland muß mit mir zurück ans andere
Ufer, damit wir Euren Sohn und die Zofe sicher über den Fluß
bringen.“
„ Das bedarf keiner Frage,
Dietrich. Laßt mir nur den Hund da, dann fühle ich mich
sicher.“
Dietrich nickte ihr
zu, löste den Beutel, in dem Schuhe und Strümpfe der Frauen
verstaut waren, und reichte ihn Ida. „Hier, zieht Euch das
schnell wieder an, damit Ihr Euch nicht erkältet!“
Ida nahm den Beutel
entgegen und bedachte den Ritter mit einem warmen Blick. „Ihr
seid fast wie ein treusorgender Ehegemahl!“
Dietrich zog rasch
das Pferd herum, damit sie seine Verlegenheit nicht sah. Er ritt eine
kleine Strecke weit flußaufwärts, ehe er Titus erneut in
die reißenden Fluten lenkte. Roland folgte auf seinem Wallach.
Da Rosse und Reiter sich nur um sich selber zu kümmern hatten,
fiel es ihnen diesmal nicht sonderlich schwer, das andere Ufer an der
Stelle wieder zu erreichen, wo die anderen warteten.
Giselbert, der den
kleinen Bernhard vor sich im Sattel sitzen hatte, erwartete sie
schweigend. Auf dem Gesicht der Zofe zeigte sich zum erstenmal so
etwas wie Anteilnahme an dem Geschehen. Wahrscheinlich hatte sie
darüber nachgedacht, daß jetzt sie den gefährlichen
Übergang wagen mußte.
„ Binde den Kleinen im
Sattel fest“, rief Dietrich dem Kriegsknecht zu. Hastig
erklärte er, daß Giselbert und Roland zusammen mit Zofe
und Kind das Wildwasser überqueren sollten, während er sich
auf die Suche nach Erdmann machen wollte.
„ Ich muß ihn
zurückholen, bevor er unseren Verfolgern in die Hände
fällt! Laßt das Saumpferd stehen, ich bringe es nachher
mit. So Gott will, sehen wir uns in Kürze auf der anderen Seite
des Erlenbachs!“
Mit diesen Worten
warf er sein Streitroß herum und gab ihm die Zügel frei.
Der Rappe schlug eine schnelle Gangart an, als wüßte er,
daß keine Zeit zu verlieren sei. Nach einiger Zeit tauchte
Erdmann tatsächlich vor ihnen auf, aber Dietrich bemerkte
verärgert, daß er flußabwärts lief. Er suchte
anscheinend immer noch nach seinem Reittier und schien völlig
vergessen zu haben, daß er auf diesem Weg schnurstracks den
Feinden in die Arme lief. Noch war von ihnen nichts zu sehen, aber
sie konnten jeden Augenblick auftauchen.
Als Dietrich den
Mann erreicht hatte, der scheinbar ziellos vorwärts stolperte,
rief er ihm zu: „Gib es auf, Erdmann, dein Gaul ist verloren!“
Der Kriegsknecht
wandte sich um und trat wortlos neben des Ritters Roß. Dietrich
sah, daß der Mann völlig durchnäßt war. Aber
das war momentan nicht zu ändern. Er reichte ihm die Hand und
zog ihn hinter sich auf den Pferderücken. In diesem Augenblick
sah er sie kommen. Zwischen den vereinzelt stehenden Erlen brach in
einer Entfernung von etwa zweitausend Schritt eine größere
Reiterschar hervor und hielt auf sie zu.
„ Jetzt wird es aber Zeit,
daß wir verschwinden!“ preßte Dietrich durch die
Zähne und zog eilig sein Pferd herum. Kurze Zeit später
hatten sie die Stelle des Flußüberganges wieder erreicht.
Erdmann sprang ab, rannte zu dem Saumpferd, löste dessen Zügel
vom Baum und kam mit dem Tier zurück.
In der Ferne war
bereits das dumpfe Trommeln vieler Hufe zu hören. Inzwischen
hatte Dietrich einen Blick auf das jenseitige Ufer geworfen und
befriedigt festgestellt, daß Giselbert und Roland das Kind und
die Zofe sicher
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