Die Klinge des Löwen 01
hinübergebracht hatten.
Das Stampfen vieler
Hufe wurde lauter.
„ Jetzt gilt es!“ rief
er Erdmann zu. Er reichte ihm abermals die Hand, um ihn hinter sich
aufsteigen zu lassen. „Nichts wie weg hier!“
Der andere setzte
sich zurecht, gab aber keine Antwort, sei es, daß er mit dem
Saumroß beschäftigt war oder daß er angesichts der
gefährlichen Lage eine Entgegnung für überflüssig
hielt. Dietrich lenkte Titus nun zum drittenmal in den tosenden Bach,
ohne daß der Rappe ob der doppelten Belastung auch nur eine
Spur von Unwillen gezeigt hätte. Erdmann klammerte sich mit der
Rechten an Dietrichs Sattellehne und hielt mit der anderen Hand das
Saumroß am Zügel. Aber während Titus unerschütterlich
die Fluten durchpflügte, geriet sein bepackter Artgenosse schon
bald in Panik und fing an, wie wild mit den Beinen zu strampeln.
„ Bei allen Heiligen“,
schrie Dietrich wütend, „halte den Satan fest, Mann!“
Er sah den
tückischen Blick nicht, mit dem Erdmann den Befehl befolgte. Dem
Waffenknecht gelang es schließlich, das verängstigte Tier
wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Am Ufer standen die
anderen und starrten wie gebannt auf die mit den Fluten kämpfenden
Männer und Rosse. Eine Handbewegung Rolands veranlaßte
Dietrich, einen Blick hinter sich zu werfen. Er sah zu seinem
Schrecken, daß die feindliche Reiterschar jetzt in wildem
Galopp rücksichtslos durch das Gehölz brach. Sie war
vielleicht noch zweihundert Schritt von der Uferstelle entfernt, die
er und Erdmann eben hinter sich gelassen hatten.
Am
gegenüberliegenden Ufer hatte Roland seinen Eibenholzbogen
schußfertig gemacht. Ein Pfeil lag auf der noch nicht
gespannten Sehne. Die vordersten der feindlichen Reiter waren nicht
mehr weit vom Bach entfernt, während Dietrich und Erdmann das
rettende Ufer noch nicht erreicht hatten. Sie hatten vielmehr alle
Hände voll zu tun, um nicht abgetrieben zu werden. Aber Titus
kämpfte sich unbeirrt voran. Er bewahrte mit seinem starken Leib
das Saumroß davor, von dem brausenden Bach fortgerissen zu
werden.
Abermals warf
Dietrich einen Blick zurück. Zwei der Verfolger waren bereits
dabei, ihre Rosse an der flachen Uferstelle ins Wasser zu treiben.
Der Haupttrupp kam in einem dichten Pulk heran und würde die
Vorhut in wenigen Augenblicken erreicht haben.
„ Laß die Pfeile
fliegen!“ rief Dietrich dem Knappen zu. Dieser hob prompt den
Bogen, zog in einer flüssigen Bewegung die Sehne ans Ohr und
ließ den Pfeil schwirren. Dietrich hörte einen
Schmerzensschrei hinter sich und wußte, daß Roland einen
der Verfolger getroffen hatte. „Brav, Knappe!“ schrie er
durch das Tosen des Wassers. „Nicht nachlassen! Halte die Bande
nieder mit deinen Pfeilen!“
Noch einmal wandte
Dietrich den Kopf und bemerkte erleichtert, daß die Schar der
feindlichen Berittenen die Pferde zum Stehen gebracht hatte. Die
Krieger hatten offenbar erkannt, daß ihre Spitze unter Beschuß
geraten war. Sie schwärmten aus, um kein so leichtes Ziel zu
bieten, und kamen langsam näher.
Zur selben Zeit
gelang es jedoch Dietrichs Rappen, das sichere Ufer zu erreichen. Mit
seiner doppelten Last und dem Saumroß im Schlepptau erkletterte
er schnaubend und keuchend die Uferböschung. Ausgepumpt blieb er
stehen, sobald er ebenen Grund erreicht hatte. Erdmann ließ
sich sofort zur Erde gleiten, auch Dietrich sprang aus dem Sattel.
Er warf einen Blick
zum anderen Ufer hinüber. Er sah, wie sich einige der
feindlichen Kriegsleute um jene zwei Männer kümmerten, die
als Vorhut mit Rolands Schießkunst Bekanntschaft gemacht
hatten. Einer der beiden hatte einen Pfeil in der Brust stecken, der
andere in der Schulter. Ihre Kumpane schleppten die Verwundeten
schleunigst aus der Gefahrenzone.
Dietrich war
ordentlich beeindruckt, nachdem er gesehen hatte, wie Roland sich in
der nicht ungefährlichen Situation behauptete. Mit weiteren
gezielten Pfeilschüssen hielt der Knappe nun die wagemutigsten
Gegner davon ab, ans Ufer vorzudringen. Die übrigen hatten es
ohnehin vorgezogen, vorläufig in der sicheren Deckung des Waldes
zu verharren.
„ Nagle die Geroldsecker
Ratten in ihren Löchern fest!“ rief Dietrich dem Knappen
zu. „Sie sollen merken, daß mit uns nicht zu spaßen
ist!“
Roland nickte mit
glühenden Ohren, die ihm der Stolz darüber färbte, daß
sein Herr ihm in diesem Gefecht wie einem erfahrenen Krieger
vertraute. Inzwischen hatten sich die anderen um Dietrich geschart
und warteten auf seine Anordnungen. Einzig
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