Die Klinge des Löwen 01
Ritter!“
Dietrich deutete
eine Verneigung an und entgegnete mit leichtem Spott in der Stimme:
„Ich lehre meinen Knappen nur, worauf es im Leben ankommt, wenn
man es zu etwas bringen will, verehrte Gräfin.“
„ Ihr habt doch auf alles
eine Antwort“, rief Ida scheinbar belustigt. Sie nickte dazu
vielsagend, während ihre bisher recht einsilbige Zofe
mißbilligend den Mund verzog.
Dietrich grinste
herausfordernd. „Ist das ein Lob oder ein Tadel, Gräfin?“
Sie zog, zwar immer
noch lächelnd, die Augenbrauen hoch, aber ihre Stimme klang
jetzt distanzierter. „Nehmt es, wie Ihr wollt, Dietrich.“
„ Also ein Tadel...“,
entgegnete er und tat betroffen, wobei jedoch seine Augen lustig
funkelten. Dann aber wurde er ernst. „Es wird Zeit,
weiterzureiten.“
„ Herr“, mischte sich
Roland mit vor Eifer vibrierender Stimme ein. „Darf ich etwas
vorschlagen?“
Dietrich sah ihn
verdutzt an. „Sprich, Knappe!“
„ Es könnte doch sein,
daß Euch Gefahr droht, bevor ich Euch erreiche?“
Verständnislos
musterte Dietrich den Jungen.
„ Ich meine...ich denke“,
stotterte Roland in dem Bewußtsein, daß aller Augen auf
ihn gerichtet waren, „ich meine, es könnte eine Situation
eintreten, wo ich Euch ganz schnell warnen müßte, dafür
aber noch zu weit von Euch entfernt bin.“
„ Na ja, das könnte
eigentlich nur passieren, wenn du dich übertölpeln läßt“,
sagte Dietrich zögernd und betrachtete seinen Knappen forschend.
„Was willst du denn tun, wenn es dazu käme?“
Roland klopfte mit
der Hand auf seinen Köcher, den er am Sattel hängen hatte,
und sagte: „Ich habe noch eine Menge Pfeile übrig. Wenn
ich einen davon besonders kennzeichne, könnte ich ihn
abschießen, wenn mir anders eine Warnung nicht mehr möglich
ist. Ich würde so zielen, daß der Pfeil seitlich vor Euch
in der Erde stecken bleibt.“
„ Kein schlechter Gedanke“,
sagte Dietrich nachdenklich und nickte dazu bekräftigend mit dem
Kopf.
Inzwischen hatte Ida
spontan ein seidenes gelbes Band von ihrem Gebende gelöst und reichte es dem Knappen. „Hier, binde das um den
Pfeilschaft. Wenn dieses Band uns erreicht, was Gott verhüten
möge, dann wissen wir, daß Gefahr droht.“
Während
Roland den Stoffstreifen der Gräfin eilig um einen der Pfeile
wickelte und festband, zog Dietrich mit seiner kleinen Gefolgschaft
weiter. Der Knappe hielt sein Roß zurück, um dem
Reitertrupp vor ihm genügend Vorsprung zu geben. Neben ihm stand
Greif und sah abwechselnd zu seinem Herrn empor und blickte dann
wieder den Davonreitenden nach. Es schien, als wundere er sich, welch
unverständliche Gewohnheiten die Menschen zuweilen an den Tag
legten. Um diese ihm unklare Situation zu ändern, machte er
Anstalten, den anderen zu folgen. Zu seinem sichtbaren Leidwesen
mußte er das Vorhaben jedoch aufgeben, denn ein scharfer Befehl
Rolands rief ihn sofort zurück. Ergeben setzte er sich neben Roß
und Reiter auf die Hinterbacken. Man hatte es wahrlich nicht leicht
mit den Zweibeinern...
Der
Vormittag verging, ohne daß von irgendwoher Gefahr drohte. Die
Aprilsonne warf ihre wärmenden Strahlen auf die Reisenden. Der
helle Glockenton einer Kohlmeise begleitete sie eine Zeitlang durch
ein von noch blattlosen Schwarzerlen und Birken bestandenes Gebiet.
Etwas weiter entfernt, antwortete eilig ein Konkurrent. Irgendwo
sandte ein Rotkehlchen seine Triller in die blaue Luft, und in
einiger Entfernung, am Fuße der Berge, verschwand ein Rudel
Rehe ohne Eile im Tannenwald. An sonnigen Stellen blühte der
Huflattich, an anderen öffnete Wiesenschaumkraut seine blaßrosa
Blüten.
Tiefer
Friede schien über der Landschaft zu liegen.
Etwa
um die Mittagszeit bekamen die Reisenden das Dorf Haslach zu Gesicht.
Es lag jenseits der Künzig, am Fuße der dahinter
emporwachsenden Schwarzwaldberge. Die kleine Gruppe zog etwa zwei
Pfeilschußweiten entfernt auf der dem Ort gegenüberliegenden
Uferseite vorbei.
Dietrich
zügelte sein Roß, bis die Gräfin neben ihm war. „Noch
ehe der Nachmittag zur Hälfte vorüber ist, wird die Burg
Husen vor uns auftauchen!“
Die
Gräfin warf ihm aus ihren rätselvollen dunklen Augen einen
nachdenklichen Blick zu. „Meint Ihr? Ich werde erst beruhigt
sein, wenn wir hinter den Burgmauern in Sicherheit sind.“
„ Warum
so bedrückt?“ fragte Dietrich. „Ist denn bis jetzt
nicht alles gutgegangen?“
Die
junge Frau legte begütigend ihre Hand auf seinen Arm. Die zarte
Berührung rief einen angenehm
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