Die Klinge des Löwen 01
versengen!“
Während
der Kriegsknecht sich entfernte, kehrte Dietrich zu seinen
Schützlingen zurück. Er sah befriedigt, daß Gräfin
und Zofe sich, wie geheißen, in der Deckung der Erlen und
Birken aufhielten. Sie waren abgestiegen, und Klein-Bernhard spielte
unbekümmert zu ihren Füßen mit Kieselsteinen. Die
beiden Frauen jedoch blickten dem Ritter mit ängstlicher
Spannung entgegen.
Dietrich
bemühte sich, ein unbefangenes Gesicht zu machen, um die Sorge,
die aus Idas bangen Blicken sprach, zu zerstreuen. „Es ist
nichts passiert, Gräfin. Zwei Wegelagerer wollten an Giselbert
ihr Mütchen kühlen, aber wir haben sie vertrieben.“
„ Wegelagerer?
An dieser Stelle?“ fragte Ida erstaunt. „Aber was suchen
sie in diesem Gelände - hier ist doch kein Weg und kein Steg?
Man hört gewöhnlich nur von Überfällen auf
Reisende, die auf der Straße unterwegs sind. Doch die liegt auf
der anderen Seite der Künzig!“
„ Natürlich
habt Ihr recht“, entgegnete Dietrich etwas verlegen und
beschloß, die Wahrheit zu sagen. „Ich vermute, daß
es sich um zwei unserer Verfolger handelte.“
Die
Gräfin sah ihn erschrocken an. „Das würde ja
bedeuten, daß sie uns bereits überholt haben und uns
irgendwo da vorne den Weg abschneiden wollen!“
„ Aber
nein, das glaube ich nicht. Die beiden waren eher eine
Splittergruppe. Sie müssen Giselberts Fährte durchs Gebirge
gefolgt sein. Aber daß die gesamte Horde, die wir gestern
sahen, ungesehen und ungehört an uns vorbeigekommen sein sollte,
das halte ich für unmöglich. Die kriechen wohl noch immer
dort oben im Wald herum und versuchen unsere verschiedenen Spuren zu
enträtseln!“
„ Ich
hoffe, Ihr habt recht. Was tun wir jetzt?“
„ Weiterreiten.
Der Vorfall ist ohne Einfluß auf unseren Reiseplan. Laßt
uns also gleich aufbrechen! Doch wartet, ich helfe euch beiden!“
Er
sprang aus dem Sattel und half zuerst Ida und dann auch der Zofe in
den Sattel, die jetzt den Knaben zu sich nahm. Endlich saß auch
er wieder zu Pferde und lenkte seinen Rappen aus dem Dickicht. Er
schlug die alte Marschrichtung ein, und die Frauen folgten
unmittelbar hinter ihm. Vor ihnen ragte der bis zum Gipfel bewaldete
Brandenkopf empor, ein hoch aufsteigender Berg, der ihnen jetzt als
Wegweiser diente.
Nachdem
sie einige Zeit schweigend hintereinander hergeritten waren und jeder
seinen Gedanken nachhing, trieb Ida plötzlich ihr Roß zu
einer schnelleren Gangart an, bis sie sich neben Dietrich befand.
„ Wißt
Ihr, was mich beunruhigt?“
Dietrich
sah sie fragend an. „Was denn?“
„ Seit
wir uns trennten, ist von Eurem Knappen Roland weit und breit nichts
mehr zu sehen.“
Dietrich
blickte unwillkürlich hinter sich und meinte dann: „Er hat
sich tatsächlich etwas weit zurückfallen lassen. Aber daß
wir nichts von ihm hören oder sehen, bedeutet eher, daß
uns im Rücken keine Gefahr droht. Andernfalls wäre er schon
hier aufgetaucht oder hätte zumindest einen Pfeil abgeschossen,
um uns zu warnen.“
Auf
Idas Gesicht erschien ein zaghaftes Lächeln. „Was Ihr
sagt, klingt einleuchtend. Verzeiht, wenn ich wie eine Schwarzseherin
wirke.“
„ Ich
glaube, als Mutter ist es völlig normal, wenn Ihr Euch bei einer
solch gefährlichen Lage Sorgen macht. Aber um diese Sorgen
möglichst klein zu halten, sind wir Kriegsleute doch bei Euch,
nicht wahr?“
Sie
neigte wortlos lächelnd den Kopf, und Dietrich deutete dies als
Zustimmung. „Wißt Ihr, was?“ sagte er in
unternehmungslustigem Ton. „Ich lasse Euch für eine Weile
allein weiterreiten und mache mich auf die Suche nach dem Knappen.
Ihr schließt inzwischen etwas dichter zu Giselbert auf, damit
Ihr ihn nicht aus den Augen verliert.“
„ Einverstanden!“
sagte sie dankbar. „Ich hoffe, Ihr kommt bald mit guter Kunde
zurück!“
Dietrich
hob wortlos die Hand zum Gruß und wandte den Rappen in die
Richtung, aus der sie gekommen waren. Er ließ Titus im Schritt
gehen und musterte wachsam die vor ihm liegende Landschaft. Nachdem
er eine längere Strecke zurückgelegt hatte, kam es ihm
allmählich seltsam vor, daß von Roland noch immer nichts
zu sehen war.
Vorsichtshalber
zog er sein Schwert aus dem Wehrgehänge. Er war nicht gewillt,
sich überraschen zu lassen. Irgendwie hatte sich die Sorge der
Gräfin jetzt auch auf ihn übertragen. Der Niederungswald
wurde dichter. Zwischen den Schwarzerlen und Pappeln sproß
bereits Bärlauch, dessen Blätter sich bald rasenartig unter
den noch unbelaubten
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