Die Klinge des Löwen 01
verwundert. „Reicht
deine Besatzung nicht allemal aus, die Burg im Ernstfall zu
verteidigen?“
„ Genau
das meine ich! Ich bin derselben Ansicht wie Bruder Ambrosius - Urban
von Geroldseck ist unberechenbar. Ich fürchte, die Niederlage
seines Sohnes, die diesem heute im Angesicht seines Kriegsvolkes
zugefügt wurde, macht den Alten rasend. Bedenkt, Herr, ein
einzelner Mann“, er machte mit der Hand eine respektvolle Geste
in Dietrichs Richtung, „ein einzelner Mann zwang Egeno mit
Schwert und List, samt seiner Übermacht abzuziehen. Ob Urban das
auf sich sitzen läßt - ich weiß nicht recht.“
„ Ja,
nun, vielleicht hat der junge Geroldsecker sich den Ausgang des
Gefechts anders vorgestellt“, beschwichtigte der Burgherr.
„Aber das ist jetzt vorbei, und zudem ist er verwundet. Wie
Dietrich sagte, wird es eine Weile dauern, bis Egeno wieder
einsatzfähig ist. Also haben wir doch nichts zu befürchten.“
„ Da
kennt Ihr Egeno schlecht“, warf Ambrosius ein. „Der
Bursche gibt wegen einer Fleischwunde am Bein sein Ziel nicht auf.
Dazu ist er zu hartnäckig. Und wenn an den Gerüchten, daß
sein Vater für ihn die Ortenburg als künftigen
Herrschaftssitz erobern will, etwas Wahres dran ist, dann macht Egeno
weiter. Dafür wird sein Vater schon sorgen. Das ist so sicher,
wie die Künzig bergab fließt!“
Werner
wurde ob des ständigen Widerspruchs seiner Leute ungeduldig.
„Nun, lassen wir es, über Ereignisse zu spekulieren, die
wir nicht kennen und die wohl auch nicht eintreten werden. Heinrich,
ich will, daß fünf unserer Reisigen Dietrich und seine
Schützlinge nach der Kastelburg geleiten. Das bin ich meinem
Bruder Max schuldig, und da wir mit niemand im Streit liegen, sehe
ich darin auch keine Gefahr für meine Burg.“
Er
erhob sich unvermittelt, um jede weitere Widerrede im Keim zu
ersticken. Gleichzeitig war dies das Zeichen, daß die
Zusammenkunft beendet sei. Während die anderen beiden den Saal
verließen, lud der Burgherr Dietrich mit seinen
Schutzbefohlenen für den Abend zu einem festlichen Gastmahl ein.
„ Das
will ich zu Ehren der Gemahlin meines Bruders abhalten“, sagte
er mit leutseligem Lächeln. „Wir wollen fröhlich sein
nach dieser für Euch so turbulenten Reise, und den Becher
kreisen lassen! Vor allem aber sind meine Leute, allen voran meine
Gemahlin Elisabeth, begierig darauf, Einzelheiten darüber zu
erfahren. Auch wollen wir Neuigkeiten hören, denen ihr Bewohner
der Rheinebene näher seid, als wir hier im finsteren
Schwarzwald!“
Dietrich
dankte seinem Gastgeber für die freundliche Aufnahme und folgte
dann dem unterdessen eingetretenen Haushofmeister Konrad, einem
asketisch wirkenden älteren Mann mit strengem Gesichtsausdruck
und stechendem Blick. Dieser führte ihn zu den Kemenaten und
zeigte ihm die Räume, die man ihm und seinen Schutzbefohlenen
als Wohn- und Schlafgemächer zur Verfügung stellte.
„ Euren
Waffenknecht Giselbert habe ich bereits in den Unterkünften der
Burgbesatzung untergebracht“, sagte Konrad mit unbewegter
Miene, wobei er Dietrich unverwandt anstarrte, so daß dieser
sich genötigt fühlte, zustimmend zu nicken.
Danach
ging Dietrich zu den Ställen, um nachzusehen, ob sein Rappe gut
versorgt sei. Titus wieherte leise, als er ihn kommen sah, und als
sein Herr in dem geräumigen Stallabteil neben ihn trat, rieb das
Tier zärtlich die Nase an seiner Brust. Dietrich tätschelte
ihm den Hals und murmelte: „Ruh dich nur aus, mein Braver, du
hast die Pause verdient. Wer weiß, was in den nächsten
Tagen sein wird!“
Als
hätte der Hengst die Worte verstanden, gab er leise, grunzende
Laute von sich, die wie eine Antwort klangen. Dietrich lächelte
und drückte ihm einen Kuß auf die weiche Schnauze. „Gehab
dich wohl für heute, mein Guter!“
Er
verließ gutgelaunt den Stall und traf im Burghof auf Roland.
Der Knappe erwähnte, daß Ida und ihre Zofe die Badestube
verlassen hätten. Er fragte, ob Dietrich sich dorthin begeben
wolle, um sich ebenfalls vom Schmutz der Reise zu reinigen. Erfreut
willigte Dietrich ein, und zusammen begaben sie sich zur Badestube.
Roland
und ein Page der Burg bereiteten für Dietrich das heiße
Wasser und füllten damit einen riesigen Holzzuber. Greif, der
seit seinem Abenteuer als „Bote“ nicht mehr von der Seite
seines Herrn wich, scharwenzelte neugierig um die Menschen herum. Es
hätte nicht viel gefehlt und er wäre zu Dietrich in den
Zuber gesprungen, wenn Roland ihn nicht am Genick gepackt
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