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Die Klinge des Löwen 01

Die Klinge des Löwen 01

Titel: Die Klinge des Löwen 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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nicht lange, bis der Burgherr und
seine Gemahlin Elisabeth den Saal betraten, um die Gäste zu
empfangen. Werner von Husens Frau war etwas größer als ihr
Gemahl. Trotz ihrer vierzig Jahre war sie noch immer hübsch zu
nennen, denn ihr ebenmäßiges Gesicht hatte den glatten,
faltenlosen Teint der Jugend bewahrt. Ihr brünettes Haar quoll
in dicken Flechten unter einer dunkelgrünen, unter dem kräftigen
Kinn gebundenen Haube hervor und zeigte keinerlei graue Strähnen.
Wenn sie lächelte, entblößte sie zwei Reihen kleiner
weißer Zähne, und ihre glitzernden blauen Augen verrieten
gleichzeitig Humor und kritischen Geist.
    Sie
trug ein bodenlanges, oben enges und ab der Hüfte faltenreiches
grünes Gewand, das eine goldene Spange über der Brust
verwahrte und über den Hüften von einem golddurchwirkten
und mit Edelsteinen besetzten Gürtel zusammengehalten wurde.
Darüber trug sie einen Umhang von lichtem Braun, den oben eine
silberne Fibel* verschloß. Ihre kleinen Füße, die
zuweilen unter dem Gewand hevorschauten, steckten in spitz
zulaufenden flachen Schuhen aus feinstem Ziegenleder, deren Rücken
durchbrochen war und von zierlichen, goldverbrämten Stegen
zusammengehalten wurde.
    *[ Fibel
(lat. fibula = Spange): Gewandnadel mit Bügel, Vorläuferin
der Brosche und Sicherheitsnadel. ]
    Dietrich,
der sich bald darauf ebenfalls in der Halle einfand, wurde herzlich
von Elisabeth begrüßt. Der durchdringende Blick jedoch,
mit dem ihn ihre blauen Augen musterten, weckten ein unbehagliches
Gefühl in ihm. 'Ei, die Frau ist mit Vorsicht zu genießen',
dachte er, während er weiterging, vergaß es aber gleich
wieder, weil er sich der Herrschaftstafel näherte, wo der
Haushofmeister bereitstand und die Tischgäste erwartete.
    Unmittelbar
nach Dietrich betrat Gräfin Ida in Begleitung ihrer Kammerfrau
Bertha die Halle. Sie war ebenso prächtig gekleidet wie die
Burgherrin, die ihr das leuchtend rote Gewand geschenkt hatte, das
sie trug. Es war über der Brust leicht ausgeschnitten und
verstärkte so die erotische Ausstrahlung der jungen Frau. Das
dunkle Haar trug sie lose und geringelt, so daß es ihr bis über
die Schultern herabfiel. Sie hatte bewußt darauf verzichtet, an
diesem Abend eine Haube aufzusetzen. Der zarte goldfarbene
Seidenschleier, den sie als alleinige Kopfbedeckung gewählt und
der durch ein mit Diamanten besetztes Stirnband gehalten wurde,
verbarg ihre jungfräulich wirkende Haarpracht weniger, als es
einer verheirateten Frau geziemt hätte. Aber vor allem Dietrich
gefiel es, und er fand sie in dieser Aufmachung äußerst
reizvoll.
    Man
hatte darauf verzichtet, den Haushofmeister mit der bei größeren
Banketten üblichen zeremoniellen Vorstellung der Gäste zu
beauftragen, da es sich um ein rein familiäres Treffen handelte.
So hatte er nur die Aufgabe, den Eintretenden die für sie
bestimmten Plätze anzuweisen. Zuvor wuschen die Gäste sich
an eigens dafür bereitgestellten und mit Wasser gefüllten
Becken die Hände.
    Endlich
setzten sich alle der Rangordnung nach zu Tisch. Der Burgherr nahm,
anders als gewöhnlich, den Sitz in der Mitte ein, um das
Familiäre der Festlichkeit zu betonen. Rechts neben ihm ließ
seine Gemahlin sich nieder, während links Gräfin Ida, seine
junge Schwägerin, ihren Platz fand. Diese Sitzordnung bereitete
besonders Dietrich großes Vergnügen, denn er wurde zu dem
Stuhl zur Linken Idas geleitet. Die Reihe setzte sich auf dieser
Seite dann fort mit Bertha, die wiederum Heinrich, den Waffenmeister
der Burg, zum Tischnachbarn hatte.
    Rechts
neben die Burgherrin geleitete der Haushofmeister den Mönch
Ambrosius, dessen lustig blickende Augen begierig auf den Eingang
gerichtet waren, von wo er offensichtlich mit wachsender Ungeduld das
Eintreffen der Speisen erwartete. Neben ihm saß Adelheid, die
fast siebzehnjährige Tochter Elisabeths und Werners von Husen.
Sie war knapp mittelgroß und hatte offen getragenes
gekräuseltes Blondhaar, das ihr in dichten Locken ungebändigt
über die Schultern fiel. Ihre klare weiße Stirn war
geschmückt mit einem kostbaren, mit blutrotem und grünem
Granat besetzten Diadem. Sie hatte sanft geschwungene dunkle
Augenbrauen und eine fein modellierte gerade Nase, was ihrem Gesicht
auf den ersten Blick ein etwas herbes Aussehen verlieh. Aber dieser
Eindruck schwand wie ein flüchtiger Vogel, sobald man ihr in die
leuchtenden grauen Augen sah. Und wenn ihr Mund mit den nicht zu
vollen roten Lippen dazu lächelte und die Perlenreihe

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