Die Klinge des Löwen 01
Tafel des Gesindes hin
und her. Dessen Ausgelassenheit sprang bald wie ein Funke auf die
Herrschaftstafel über. Besonders der solchen Scherzen durchaus
zugeneigte Burgherr tat sich dabei lautstark hervor.
„ Der
Truchseß soll jetzt einen alten Käse bringen, Konrad!“
rief er mit dröhnender Stimme seinem Haushofmeister zu, während
er genüßlich an einem Hühnerbein nagte. „Aber
gut gesalzen muß er sein, hörst du!“
Er
neigte sich leutselig zu Ida. „Darauf, liebe Schwägerin,
läßt sich nämlich gut trinken, mußt du wissen!“
Er
lachte laut und schwadronierte weiter: „Unsere Speisen in Küche
und Keller müssen abnehmen heute abend! Bald ist Sommer, und wir
brauchen Platz für die neuen Vorräte. Ich verlasse mich auf
euch, liebe Gäste, daß ihr mir treu zur Seite steht bei
dieser Schlacht!“
„ Wir
haben erst April, mein Herr und Gebieter“, erwiderte seine
Gemahlin trocken. „Bis zur Ernte ist es noch weit!“
Mit
gerunzelter Stirn hatte sie das Geschehen beobachtet. Die mitunter
anzüglichen Scherze des Gesindes an der unteren Tafel
verstimmten sie mehr und mehr. Auch die allzu große
Herzlichkeit zwischen Ida von Ortenburg und ihrem Beschützer
Dietrich war ihr nicht entgangen. Sie fand das Gebaren der beiden
unziemlich und hatte bei sich beschlossen, dem ein baldiges Ende zu
bereiten. Nachdem nun auch ihr eigener Gemahl aus der Rolle zu fallen
drohte, hielt sie es für angebracht, bei der ersten sich
bietenden Gelegenheit einzugreifen. Sie war entschlossen, heute zu
verhindern, daß das Festmahl zu einem Saufgelage ausartete.
Als
erstes wies sie leise und unauffällig ihren Gemahl zurecht.
Ihrem scharfen Tadel, den niemand sonst hörte, fügte Werner
von Husen sich brummend. Seine gute Laune verflüchtigte sich wie
Schnee in der Sonne. Schließlich verzehrte er mürrisch ein
Stück von dem Käse, der inzwischen aufgetragen worden war.
Die Scherze seiner fidelen Gäste drangen zwar noch an sein Ohr,
aber die Lust, mit eigenen Späßen darauf zu antworten, war
ihm vergangen. Und nachdem ihn seine Gemahlin auch noch mißbilligend
auf die beiden Turteltauben zu seiner Linken aufmerksam gemacht
hatte, wurde er vollends einsilbig.
Da
der Burgherr nun als lustiges Zentrum ausfiel, kehrte allmählich
eine Art verlegener Ruhe an der Tafel ein. Dietrich und seine junge
Herrin waren gezwungen, sich trotz der Weinseligkeit, in der sie sich
befanden, zurückzuhalten. Alles andere wäre aufgefallen,
zumal sie inzwischen bemerkt hatten, daß Elisabeth von Husen
sie mit Argusaugen beobachtete.
Bald
wurde der Nachtisch gereicht: Getrocknete Apfelschnitten, geröstete
Kastanien und verschiedene Sorten von Kuchen. Danach und obwohl es
noch eine gute Weile bis Mitternacht war, rief die Burgherrin den
Haushofmeister zu sich und befahl ihm, die Tafel des Gesindes
aufzuheben und die Leute in ihre Unterkünfte zu schicken. Wenig
später hieß sie die Diener, alle noch auf der
Herrschaftstafel befindlichen Speisen und Getränke abzutragen.
Sie wollte auf diese Weise der Gefahr vorbeugen, daß das Fest
letzten Endes ausarten und in Trunkenheit enden würde, denn sie
hatte sich etwas vorgenommen, wofür sie halbwegs nüchterne
Zuhörer brauchte.
„ So,
liebe Freunde“, sagte sie, nachdem alles abgeräumt war,
mit gespielter Herzlichkeit. „Jetzt wollen wir endlich von
Dietrich hören, welche Abenteuer er und seine Schutzbefohlenen
auf dem Weg zu uns erlebt haben!“
Ihr
Gemahl, dem die resolute Art seiner Frau allmählich gegen den
Strich ging, unternahm einen halbherzigen Versuch, ihr zu
widersprechen. „Ach, liebe Elisabeth, das kann doch ich dir
später erzählen, wenn wir zu Bett gehen. Dietrich hat mir
im Beisein von Heinrich und Bruder Ambrosius gleich nach seiner
Ankunft das Wichtigste berichtet. Man sollte ihn jetzt nicht damit
plagen, alles noch einmal wiederzugeben!“
„ Aber
Werner!“ rief seine Frau mit mühsam bewahrter Fassung,
während sie ihm zornige Blicke zuwarf. „Wir wollen die
Geschichte doch nicht aus zweiter Hand hören! Du hast vielleicht
schon vieles wieder vergessen. Und warum warten, bis wir zu Bett
gehen? Nach drei Sätzen schläfst du ein, und ich habe das
Nachsehen. Nein, nein! Wir Frauen wissen überhaupt nichts von
den Abenteuern unserer lieben Gäste. Jetzt, wo wir so gemütlich
beisammen sitzen, ist der rechte Zeitpunkt, uns die Geschehnisse zu
erzählen, nicht wahr, Hilde?“
Die
angesprochene Kammerfrau pflichtete ihrer Herrin eifrig bei.
Elisabeth verteidigte
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