Die Klinge des Löwen 01
gegen ihren Gemahl scheinbar freundlich, aber
unnachgiebig ihre geheime Absicht, Dietrich von seiner Tischgefährtin
abzulenken. Da niemand ihr zu widersprechen wagte - auch ihr Gemahl
hatte seinen Widerstand aufgegeben -, setzte sie schließlich
ihren Willen durch.
„ Nun,
Hilde, geh und hole auch meine anderen Frauen. Einen kühnen
Ritter wie Herrn Dietrich zu erleben und aus seinem eigenen Mund zu
hören, welche Gefahren er und die Seinen bestanden, das ist eine
so seltene Gelegenheit, daß man sie ihnen nicht vorenthalten
darf!“
Damit
hatte Elisabeth ihr Ziel erreicht. Kurze Zeit später betrat
Hilde mit dreien ihrer Gefährtinnen wieder den Saal. Dietrich
mußte wohl oder übel gute Miene zum bösen Spiel
machen. Das fiel ihm nicht leicht, denn er spürte den Wein.
Andererseits nahm ihm der genossene Alkohol die Hemmungen, die ihn in
nüchternem Zustand unweigerlich befallen hätten.
Schließlich war es das erste Mal, daß er in einer solchen
Gesellschaft, wo aller Augen auf ihn gerichtet waren, das Wort
ergreifen sollte. Zunächst stockend, dann aber allmählich
flüssiger, berichtete er den mit wachsender Spannung lauschenden
Zuhörern, was ihm und seiner Begleitung widerfahren war.
Als
er schließlich geendet hatte, ergriff der Mönch Ambrosius
mit von Essen und Trinken hochrotem Kopf als erster lautstark das
Wort. „Das ist ein starkes Stück! Da schlage doch gleich
der...“ Er stockte, ihm fiel in seinem alkoholumnebelten Kopfe
gerade noch rechtzeitig ein, daß der Teufel, den er auf den
Lippen hatte, ja kein Racheengel war. Aber als ein mit allen Wassern
gewaschener Kirchenmann bereitete es ihm keine Mühe, diese
teuflische Klippe elegant zu umschiffen und rasch auf andere Weise
fortzufahren: „...dann ist Urban von Geroldseck ja noch viel
schlimmer, als ich dachte! Hält seinen Sohn und seine Söldner
an, sich an Frauen und Kindern zu vergreifen! Und Ihr, Herr Dietrich,
wollt trotz dieser gefährlichen Lage weiterziehen?“
Dietrich
zuckte mit den Schultern. „Mein Auftrag lautet, Gräfin Ida
und ihren Sohn Bernhard sicher zur Kastelburg zu bringen.
Zurückzukehren zur Ortenburg wäre angesichts des dort
bevorstehenden Krieges mit dem Geroldsecker nicht ratsam. Also bleibt
uns nur der Weg vorwärts, und mit Gottes Hilfe werden wir die
Kastelburg sicher erreichen.“
„ Weder
das eine noch das andere ist notwendig“, mischte sich jetzt die
Burgherrin in scharfem Ton in die Unterhaltung.
Dietrich
sah sie überrascht an. Er bemerkte, daß ihr Gesicht von
dem üppigen Essen erhitzt war. Aber ihre blauen Augen blickten
ihn aufmerksam an. Der Klang ihrer Stimme war fest und klar, was ihm
zeigte, daß ihre Urteilskraft nicht unter dem Genuß des
Weines gelitten hatte.
„ Wie
soll ich das verstehen?“ fragte er verwundert, wobei sich ein
Gefühl des Mißtrauens gegen seine Gastgeberin einstellte.
„ Ja,
wie soll man das verstehen?“ wiederholte der Burgherr Dietrichs
Frage wie ein Papagei. Verständnislos blickte er abwechselnd den
angesprochenen Gast und seine Gemahlin an.
„ Ida
wird mit ihrem Söhnchen bei uns auf der Husenburg bleiben“,
erklärte Elisabeth bestimmt. „Alles andere wäre zu
gefährlich für die beiden.“
Sie
verschwieg wohlweislich, daß sie die Reise zur Kastelburg nicht
nur wegen möglicher Übergriffe des Geroldseckers als
gefährlich ansah. Vielmehr war sie entschlossen, die Schwägerin
ihres Mannes von Dietrich zu trennen. Denn sie konnte sich denken,
was sich zwischen den beiden abspielen mochte, wenn sie weiterhin
gemeinsam reisten.
Der
Burgherr nickte bekräftigend mit seinem vom vielen Wein
geplagten Kopf und tat, als hätte Elisabeth seine eigenen
Gedanken ausgesprochen. „Das ist das beste für Ida und den
Kleinen, jawohl, das ist es!“
„ Mit
Verlaub, edle Dame, dem kann ich nicht zustimmen!“ widersprach
Dietrich energisch der Burgherrin, deren Einmischung in seine ihm von
Graf Max aufgetragene Mission ihn wieder nüchtern werden ließ.
„ Und
warum nicht?“ fragte Elisabeth von Husen in spitzem Ton.
Er
warf Ida einen Blick zu und sah, daß sie ihn flehend anblickte,
als ob sie fürchtete, er würde sich nicht durchsetzen.
Irritiert durch den aggressiven Ton der Burgherrin, versuchte er sich
zu sammeln. Es wurde ihm schnell klar, daß sie im Begriff war,
ihn mit ihrer Forderung zu überrumpeln. Und daß sie nicht
nachgeben würde, erkannte er an ihren funkelnden Augen, die
kampflustig die seinen suchten. Er riß sich zusammen und zwang
sich
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