Die Klinge des Löwen 02
können.
Sämtliche Rosse befanden sich Gott sei Dank noch an ihrem Platz;
Titus begrüßte ihn mit leisem Wiehern, die anderen
schnaubten und schnoberten, als wären sie erleichtert, nach
dieser Nacht in der Wildnis wieder einen Menschen um sich zu haben.
Dietrich fütterte die hungrigen Tiere mit dem mitgeführten
Hafer. Er dachte dabei voller Befriedigung daran, daß er sich
nicht den Kopf zerbrechen mußte, wie er sie tränken
sollte. Dieser Wassertümpel war für ihn wie ein Geschenk
Gottes, und obwohl er eigentlich nicht sonderlich religiös war,
fühlte er sich der Pferde wegen veranlaßt, ein kurzes
Dankgebet gen Himmel zu schicken.
Nachdem
die Tiere versorgt waren, eilte er zurück zu dem Gepäckplatz
und entnahm einem Beutel das Material zum Feuermachen - Leinenzunder,
Schlageisen, Feuerstein -, stopfte die Sachen in den kleinen
Lederbeutel, den er am Gürtel trug, und begann anschließend,
dürres Holz zu sammeln. Er trug alles an den Fuß des
Heidentempels, bis er einen hinreichend großen Vorrat
aufgehäuft hatte, den er dann den Frauen auf das Plateau
hinaufreichte, damit sie es oben stapelten.
Um
die Mittagszeit prasselte ein lustiges Lagerfeuer auf der Plattform,
und da der Regen aufgehört hatte, stieg der dünne blaue
Rauch fast senkrecht in die Höhe, ein deutliches Vorzeichen für
besseres Wetter. Am Feuer trocknete die feuchte Bekleidung der vier
Menschen schnell, und schon bald wurde bei den Frauen, besonders bei
Ida, die Stimmung zuversichtlicher. Die junge Gräfin verteilte
eigenhändig mitgebrachte Pasteten, grobes Brot, Käse und
etwas Speck, und nachdem sie sich gestärkt hatten, brachte sie
aus dem Gepäck einen als Behälter gearbeiteten Ziegenbalg
zum Vorschein, der Bier enthielt und mit einem Holzstöpsel
verschlossen war. Der willkommene Trunk machte die Runde. Auch das
Kind erhielt, wie es den herrschenden Gepflogenheiten entsprach,
einen kleinen Anteil.
Allerdings
bemerkte Dietrich, daß Ida und auch Bertha dem Bier fleißig
zusprachen. Obwohl der Alkoholgehalt des Getränks gering war,
hatte allmählich die Menge einen entsprechenden Einfluß.
Eine vergnügte Stimmung, die angesichts der gefährlichen
Lage, in der sie sich befanden, absolut nicht angebracht war, machte
sich besonders bei der jungen Gräfin bemerkbar.
„ Das
ist doch ein interessanter Ausflugsort hier!“ rief Ida in
plötzlichem Übermut und kicherte in sich hinein. „Mit
Euch, Meister Dietrich, kann uns ja gar nichts passieren. Ich
verstehe nicht, warum wir uns bisher Sorgen machten! Das war doch
unnötig - oder was meint Ihr, Herr Ritter?“
Er
fuhr sich mit zwei Fingern über die Nase, um Zeit zu gewinnen
und seine aufkommende Verlegenheit zu bezwingen. „Euer
Vertrauen, liebe Gräfin, ehrt mich. Aber trotzdem wäre es
mir lieber, Giselbert und Roland würden endlich zur Stelle
sein.“
„ Ach,
die werden schon kommen!“ rief Ida in übertrieben heiterem
Ton. „Und wenn nicht, dann geht die Reise eben ohne sie
weiter.“
Sie
lehnte sich zu Dietrich hinüber, der neben ihr saß, und
legte vertraulich die Hand auf seinen Arm. „Ihr, mein Lieber,
seid ein Beschützer, wie man ihn sich nicht besser wünschen
kann! Ihr wiegt zehn Krieger auf, das haben wir heute gesehen.“
Die
Zofe, weniger anfällig für die Wirkung des Alkohols, schien
von der zweifelhaften Ausgelassenheit ihrer Herrin unangenehm berührt
zu sein. Sie zog den Knaben, der neben ihr mit einem Stückchen
Käse beschäftigt war, näher zu sich heran und bedachte
Ida mit mißbilligenden Blicken. Dietrich fühlte, daß
es an der Zeit war, der gekünstelten Zuversicht Idas dadurch ein
Ende zu setzen, daß er sie in die Wirklichkeit zurückbrachte.
Er entzog sich brüsk ihrem zarten Griff, indem er sich erhob und
neues Holz ins Feuer warf. Dann richtete er sich auf und sah Ida
direkt in die Augen.
„ Da
wir damit rechnen müssen, noch eine Nacht hier zu verbringen,
werde ich mich jetzt aufmachen, um die Umgebung abzusuchen“,
sagte er langsam.
Ida
wich seinem Blick nicht aus, was besonders Bertha empört den
Kopf schütteln ließ. Dietrich, der dies aus den
Augenwinkeln mitbekam, mußte ein Grinsen unterdrücken. Ja,
was Ida da tat, entsprach ganz und gar nicht den geltenden Sitten für
adlige Damen! Aber derartige Regeln schienen im Augenblick für
sie nicht zu gelten. Er gewann überhaupt allmählich den
Eindruck, daß ihr gesellschaftliche Gepflogenheiten zuweilen
völlig egal waren. Obwohl ihr bewußt sein mußte, daß
eine
Weitere Kostenlose Bücher