Die Klinge des Löwen 02
verheiratete Frau ihres Standes wenigstens zum Schein eine
angemessene Zurückhaltung gegenüber anderen Männern
wahren sollte, ließ sie es ihm gegenüber gerade daran
fehlen. Sie erhob sich, ohne ihre glitzernden Augen von Dietrich zu
wenden, und trat zu ihm ans Feuer.
„ Na“,
sagte sie in kokettem Ton und hängte sich mit einem strahlenden
Lächeln bei ihm ein. „Macht Euch das etwas aus, wenn wir
noch länger an dieses romantische Plätzchen gebunden sind?
Mein tapferer Ritter wird sich doch keine Sorgen um uns schwache
Frauen machen?“
Dietrich
wurde es angesichts des unzweideutigen Verhaltens der Gräfin
heiß und kalt, zumal er bemerkte, daß der verhaltene
Unmut in den Zügen ihrer Zofe offener Entrüstung wich. Er
spürte, wie Ida sich an ihn drängte und seinen Arm in einer
Weise drückte, die mit einer rein freundschaftlichen Geste
nichts mehr zu tun hatte. Sie klammerte sich regelrecht an ihn, so
daß es ihm unmöglich war, sich von ihr zu lösen.
Andererseits war es ihm angenehm, ihre Nähe zu spüren, die
Wärme ihres Körpers und die Weichheit ihrer Formen, und er
hätte viel dafür gegeben, wenn sie jetzt unbeobachtet
gewesen wären.
Aber
im Angesicht der Zofe, deren zornigen Blicken ausgesetzt, blieb ihm
nichts anderes übrig, als sich sachte von Ida zu lösen. Er
sah wohl, daß sie schmollend den Mund verzog, aber es half
nichts - er konnte ihr unter den Argusaugen Berthas weder mit Zeichen
noch mit Worten deutlich machen, daß ihre Berührung ihm
unter anderen Umständen sehr angenehm gewesen wäre.
„ Ich
denke, wir sollten die Zeit bis zum Abend nützen“, sagte
er deshalb betont sachlich, um über die Verlegenheitspause
hinwegzukommen. „Was wir vor allem brauchen, ist genügend
Holz für das Feuer und einige dickere, harzreiche Äste, die
wir als Fackeln und zur Not auch als Waffe benutzen können.“
„ Als
Waffe?“ Ida schien plötzlich ernüchtert. „Was
wollt Ihr damit sagen?“
„ Nun,
falls die Wegelagerer mit Verstärkung zurückkommen, werden
sie erneut versuchen, unsere kleine Festung zu stürmen. Dazu
müssen sie dieses Plateau erklimmen, und daran kann man sie zum
Beispiel mittels brennender Fackeln hindern.“
„ Heißt
das, daß wir Frauen uns an der Abwehr der Halunken beteiligen
sollen, indem wir ihnen die Fackeln um die Ohren schlagen?“
Dietrich
rieb sich gewohnheitsmäßig die Nase, ehe er antwortete.
„Ich hoffe natürlich, daß das nicht nötig sein
wird. Aber wenn Not am Mann ist, ich meine, falls zu viele der Kerle
auf einmal versuchen sollten, hier heraufzuklettern, dann kann es
sein, daß ihr mir helfen müßt, sie abzuwehren. Das
ist ganz einfach; sie benötigen ja zum Klettern beide Hände,
sind also in dieser Situation wehrlos. Ihr braucht bloß an den
Rand des Plateaus zu stehen und sie mit der brennenden Fackel davon
abhalten, es zu erklimmen.“
„ Was?“
mischte sich jetzt Bertha mit einer Stimme voller Abscheu ein.
„Sollen wir Frauen uns an Eurem blutigen Kriegshandwerk
beteiligen? Das kann doch wohl nicht Euer Ernst sein!“
Ida
fuhr mit katzenhafter Schnelligkeit herum. „Schweig, du Närrin!
Wenn Dietrich es für erforderlich hält, werden wir unser
zartbesaitetes Herz eben hinunterschlucken und ihm helfen, diesen
Platz zu verteidigen.“
Er
lächelte, und seine Stimme ließ den Respekt anklingen, den
er Idas Haltung zollte. „Ja, Ihr habt recht, Gräfin. Es
könnte notwendig werden, daß ihr eingreift. Darauf muß
ich mich im Ernstfall verlassen können, auch wenn das wie eine
Zumutung erscheinen mag.“
„ Tut
das lieber nicht!“ entgegnete die Zofe erbittert. „Ich
kann und werde keine solchen abscheulichen Dinge tun! Einem Menschen
die brennende Fackel ins Gesicht stoßen! So etwas!“
„ Wenn
du dich nicht überwinden kannst“, sagte Dietrich hart, „so
etwas in der Not zu tun, dann könnte es sein, daß dir und
deiner Herrin etwas viel Entsetzlicheres geschieht! Wir befinden uns
in einer außergewöhnlichen Lage, und die verlangt
ungewöhnliche Maßnahmen.“
„ Und
wer paßt auf das Kind auf?“ warf Bertha in schroffem Ton
ein.
Ida
warf ihr einen wütenden Blick zu. „Du natürlich, zu
mehr bist du ja doch nicht zu gebrauchen. Verkriech dich also mit dem
Kind in den hintersten Winkel. Ich jedenfalls werde Dietrich
beistehen!“
Dietrich
fand es an der Zeit, beschwichtigend auf die Frauen einzuwirken.
„Vorläufig brauchen wir an so etwas nicht zu denken, nicht
vor morgen. Aber es ist wichtig, daß wir uns
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