Die Klinge des Löwen 02
deshalb!“
Jörg
Wigand schwieg und machte ein entrüstetes Gesicht. Sein Mund
blieb offen, die fleischige Unterlippe ließ er voller Empörung
herunterhängen, als könne er nicht verstehen, daß man
seine Rechtschaffenheit anzweifelte. Und es waren starke Zweifel, wie
des Herzogs skeptische Miene zeigte...
„ Kerl,
eines verspreche ich dir“, sagte er in drohendem Ton. „Sollte
es sich herausstellen, daß du uns hier zum Narren hältst,
dann lasse ich dir jeden Knochen einzeln brechen. Wachen, begleitet
diesen Menschen hinaus und laßt ihn nicht aus den Augen. Er
darf sich erst entfernen, wenn ich diese Gerichtsverhandlung beendet
habe und feststeht, daß seine Aussage nicht zu widerlegen ist.“
Während
zwei Bewaffnete den „Blutigen Jörg“ hinausführten,
wandte sich Herzog Berthold an Elisabeth. Ein plötzliches
Lächeln hellte dabei sein Gesicht auf. „Jetzt dürft
Ihr sprechen!“
„ Ich
danke Euch, Hoheit, und ich will mich kurz fassen. Was dieser Zeuge
eben erzählt hat, ist in meinen Augen ein infames Lügenmärchen.
Er hat es gewagt, die Ehre dieser jungen Frau auf das übelste zu
beschmutzen. Ich weiß nicht, wer und was ihn dazu veranlaßte,
aber eines konnte jeder normal denkende Mensch bei seinem Anblick
erkennen: Das war kein Mensch, dem man vertrauen kann! Es spricht
nicht für den Ankläger, daß er sich solcher Halunken
bedienen muß, um seinen Behauptungen Geltung zu verschaffen.“
Graf
Urban wollte wieder einmal wütend auffahren, aber eine
abwehrende Handbewegung des herzoglichen Richters hielt ihn davon ab,
lauthals zu protestieren.
Unbeeindruckt
fuhr Elisabeth von Husen fort. „Ich bin mir sicher, daß
nichts von dem, was dieser Schurke erzählte, wahr ist. Denn ich
kenne meine Schwägerin Ida zur Genüge, um zu wissen, daß
sie niemals einer solchen Tat fähig wäre. Ich schwöre
hiermit vor Gott und diesem Gericht, daß ich dafür meine
Hand ins Feuer lege. Niemals würde sie ihre Pflichten als
Gemahlin und Mutter auch nur im entferntesten vernachlässigen;
ganz davon zu schweigen, daß ihr die von dem angeblichen Zeugen
geschilderte Handlung auch nur in den Sinn käme. Ida von
Ortenburg ist unschuldig. Sie ist das Opfer einer Verschwörung,
und es ist jemand hier im Saal, der das sehr genau weiß. Leider
kann ich dies nicht beweisen, aber derjenige, den ich meine, darf
meiner tiefsten Verachtung sicher sein. Ich bete darum, daß ihn
die Strafe Gottes treffen möge!“
Sie
trat zurück, nicht ohne den Grafen Urban von Geroldseck mit
einem lodernden Blick aus ihren Augen zu bedenken, aus denen dem
Ankläger helle Empörung entgegenschlug. Spätestens in
diesem Augenblick wurde jedem im Saal deutlich, auf wessen
Machenschaften sie mit ihren ätzenden Worten anspielte.
„ Nun,
Graf Urban, habt Ihr darauf noch etwas zu erwidern?“ Die Stimme
des Herzogs klang ironisch, als er die Frage an den Ankläger
richtete. Hatte er zuvor die beherzte Fürsprecherin Idas noch
einmal wohlwollend angelächelt, so wich jetzt seine freundliche
Miene einem finsteren Gesichtsausdruck, während er auf die
Antwort des Geroldseckers wartete. Dieser schien sich erst sammeln zu
müssen, denn er nickte schweigend und sah einen Moment zu Boden,
ehe er sich zu einer Antwort aufraffte.
„ Was
wir soeben erlebten, war der typische Gefühlsausbruch einer
Frau. Mit unsachlichem Weibergeschwätz ließ sie ihrem Zorn
darüber freien Lauf, daß Dinge geschehen, die sie für
unmöglich hält. Sie hielt eine Lobrede auf die Angeklagte,
weil sie nichts anderes weiß. Und was sie nicht weiß,
scheint es für die Fürsprecherin der Angeklagten nicht zu
geben.“
Graf
Urban schien jetzt richtig in Fahrt zu kommen. Mit theatralisch
ausgebreiteten Armen wandte er sich an den Herzog und rief: „Was
haben eigentlich ihre Behauptungen dazu beigetragen, die Wahrheit
herauszufinden? Nichts! Absolut nichts! Und warum nicht?“
Er
hielt kurz inne, wandte sich mit immer noch ausgebreiteten Armen der
ganzen Versammlung zu und schüttelte bedauernd den Kopf. „Weil
eine bloße Behauptung keine Beweiskraft hat.“
Das
sonst gewöhnlich gerötete Gesicht des Geroldseckers
veränderte sich, als er sich wieder an das Gericht wandte. Es
war blaß geworden und sah nun verzerrt und kantig aus. Ein
Ausdruck gnadenloser Härte trat plötzlich hervor, als er
mit dumpfer Stimme sagte: „Ich fordere die Höchststrafe
für die beiden Angeklagten!“
Dietrich
hatte das Gefühl, als ob ein Eishauch die Versammlung erfaßt
habe.
Weitere Kostenlose Bücher