Die Klinge des Löwen 02
Anklage
betrachte, muß ich sagen, daß sie mich nicht überzeugt
haben. Der Ankläger hat nicht zwingend beweisen können, daß
seine Anschuldigungen der Wahrheit entsprechen. Seine dafür
aufgerufenen Zeugen erscheinen mir wenig glaubwürdig.“
In
der Halle erhob sich ein Raunen, Graf Urban stand mit versteinerter
Miene und zusammengepreßten Lippen an seinem Platz, Max von
Ortenburg atmete auf, Ida seufzte erleichtert, und Dietrich hoffte
erneut, daß die Gefahr vorbei sei. Aber sie alle sollten sich
täuschen.
„ Auf
der anderen Seite“, fuhr der Herzog fort, „war es aber
auch den Angeklagten und der Fürsprecherin Idas sowie den von
ihnen aufgebotenen Zeugen nicht möglich, den letzten Zweifel an
ihrer Unschuld auszuräumen. Damit ist jetzt eine Lage
geschaffen, in der Behauptung gegen Behauptung steht.“
Der
Herzog schwieg abermals, und in den hinteren Rängen erhob sich
wieder ein Gewisper, das zu einem Murmeln anschwoll.
„ Ich
bitte mir Ruhe aus“, sagte der herzogliche Richter unwillig.
„Es ist klar, daß ein Urteil gefunden werden muß.
Da dies aber uns Menschen hier und heute nicht möglich zu sein
scheint, rufe ich das Gottesgericht an! Ein Gottesurteil soll die
Entscheidung bringen!“
Nachdem
Herzog Berthold seinen Entschluß verkündet hatte, wandte
er sich an Graf Max zu seiner Rechten. Dietrich sah, daß er den
Burgherrn etwas fragte und dieser wie zustimmend nickte, aber er
konnte nichts verstehen, weil zu gleicher Zeit wortreiche
Diskussionen unter den Versammelten entbrannten und alles übertönten.
Erregt wurde über das Für und Wider der herzoglichen
Entscheidung debattiert. Im Saal herrschte große Aufregung, bis
schließlich der Richter die Ruhe wieder herstellen ließ.
Er
richtete seine Aufmerksamkeit auf Dietrich. „Nun zu Euch,
Dietrich vom Hain! Seid Ihr bereit, als Kämpfer für die
Interessen Idas von Ortenburg und für die Euren anzutreten?“
Dietrich
legte feierlich die rechte Hand flach auf seine Brust und erwiderte:
„Ja, Hoheit, ich will für die Ehre Gräfin Idas und
für meine eigene Ehre in die Schranken treten.“
Er
wirkte ruhig und gelassen, während er das sagte, obwohl er seine
ganze Selbstbeherrschung aufbieten mußte, um seiner Erregung
Herr zu werden. Im Gegensatz dazu traf die neue Situation Graf Urban
völlig unvorbereitet. Dessen vor Aufregung dunkelrot
angelaufenes Gesicht zeigte, daß die plötzliche Wende ihn
überrumpelt hatte. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht mit
einem Gottesurteil. Noch vor kurzem wähnte er sich am Ziel
seiner Wünsche. Die Verurteilung Dietrichs und Idas hätte
dem Ansehen des Grafen Max von Ortenburg - als Lehnsherr des einen
und als Gemahl der anderen - schwer geschadet. Wahrscheinlich hätte
es keiner großen Anstrengung mehr bedurft, ihn aus dem Kreis
der Edlen der Mortenau auszuschließen, und ihm, Urban, wäre
dessen Grafschaft kampflos wie eine reife Frucht in den Schoß
gefallen; dafür hätte er durch seine guten Verbindungen zu
König Philipp von Schwaben schon gesorgt. Denn der baute bei
seinem Kampf um den Thron des Reiches auf seine Hilfe; und dieser
Konstellation konnte sich auch Herzog Berthold von Zähringen
nicht versagen.
Graf
Urban war es im Verlauf des Prozesses nicht entgangen, daß ihm
der Herzog nicht so gewogen war, wie er gehofft hatte. Er glaubte
auch zu wissen, warum: Berthold fürchtete wohl, daß er ihm
zu mächtig werden könnte. Damit erklärte er sich den
erheblichen Widerstand, den der Herzog als Richter in der gesamten
Verhandlung auf eine raffiniert unauffällige Weise seiner
Anklage entgegengesetzt hatte. Zähneknirschend hatte er erkennen
müssen, daß dem Zähringer letztlich vor allem eines
am Herzen lag - zu verhindern, daß mit dem eventuellen
Niedergang derer von Ortenburg deren Eigentum dem Einflußbereich
der Burg Geroldseck zugeschlagen werde.
Nun
gut, sie alle sollten sehen, daß er nichts und niemanden
fürchtete; sie sollten seinen Zorn erleben, mit dem er jeden
vernichtete, der sich seinen Plänen entgegenstellte; und sie
sollten auch erkennen, daß er noch lange nicht zum alten Eisen
gehörte!
Die
kühle Stimme des Herzogs riß ihn aus seinen Überlegungen.
„Nun, Graf Urban, wie steht es mit Euch? Wollt Ihr selbst gegen
den Ritter Dietrich antreten, oder entscheidet Ihr Euch für
einen Kämpen Eurer Wahl?“
Mit
kantigem Gesicht und vorgeschobenem Kinn antwortete der Geroldsecker:
„Hoheit, ich werde selbst kämpfen!“
Der
herzogliche Richter sah ihn einen
Weitere Kostenlose Bücher