Die Klinge des Löwen 02
sehen."
Als
der dicht neben ihm reitende Knappe ihn fragend ansah, sagte
Dietrich: "Ich werde es dir erklären, sobald wir draußen
sind!"
Auf
dem Weg zu seinem Hofgut unterrichtete er Roland in knappen Worten,
mit welchem richterlichen Beschluß der Gerichtstag geendet
hatte.
Zu
Hause angekommen, zog sich Dietrich sofort und ohne einen Bissen zu
sich zu nehmen, in sein Schlafgemach zurück. Eine bleierne
Müdigkeit befiel ihn, aber als er sich ausgezogen und auf das
Bett geworfen hatte, fand er doch keinen Schlaf. Ständig gingen
ihm Episoden des Prozesses durch den Kopf, und am meisten
beschäftigte ihn das Eintreten Elisabeths für Ida. Ihm war
völlig klar, daß allein ihr mutiger Auftritt bisher das
Schlimmste verhütet hatte. Warum hatte sie das gewagt?
Während
er sich wieder und wieder den Kopf zerbrach, ohne eine schlüssige
Antwort zu finden, war es Nacht geworden. Er ahnte nicht, daß
unweit seiner Heimstätte bei flackerndem Kerzenschein andere
bereits über sein Schicksal entschieden.
*
Nachdem
Herzog Berthold, der hohe Gast der Burg, sich in eine eigens für
ihn als Schlafgemach hergerichtete Kemenate zurückgezogen hatte,
begaben sich Graf Max, sein Bruder Werner von Husen und dessen
Gemahlin Elisabeth in einen abseits gelegenen Raum der Burg. Sie
beabsichtigten, über ein Thema zu sprechen, das nicht für
jedermanns Ohren bestimmt war. Ein vom Burgherrn beauftragter Page
eilte der Gruppe voraus, um für die nötige Beleuchtung zu
sorgen.
Sie
betraten eine kahle, fensterlose Kammer, in der drei einfache
Armsessel herumstanden und die ansonsten nur noch eine mit Malereien
verzierte Truhe aufwies, die links von der Tür an der steinernen
Wand aufgestellt war. Vor zwei kleinen Mauernischen, der sich
öffnenden Tür zugewandt, waren brennende Kerzen
aufgestellt. Die Kerzenhalter ruhten jeweils auf dem eine Handbreit
in den Raum vorspringenden Boden der Nischen und wurden nach Gebrauch
einfach in die Nischen zurückgeschoben.
Das
flackernde Licht warf unruhige Schattenbilder der Eintretenden an die
Wände. Nachdem sie alle drei Platz genommen hatten, heftete Graf
Max, der erschöpft aussah, seine Augen auf Werner von Husen.
"Nun, was hast du mir Wichtiges mitzuteilen? Aber bitte mach' es
kurz, ich bin nach diesem aufregenden Tag nicht in bester Verfassung,
wie du dir denken kannst!"
"Ja,
nun, wir alle sind wohl froh, wenn wir endlich zu unserem
wohlverdienten Schlaf kommen", begann Werner von Husen, und im
Gegensatz zu seiner sonst umständlichen Art, ein Thema zu
beginnen, kam er etwas rascher zur Sache. "Um deine Frage zu
beantworten, also das ist so: ich meine, du kannst es dir nicht
leisten, den jungen Dietrich weiterhin um dich zu haben."
Er
wirkte, als er geendet hatte, richtig erleichtert, weil es ihm
gelungen war, das heikle Thema ohne größere Einleitung zur
Sprache zu bringen. Max von Ortenburg dagegen runzelte die Stirn.
"Wie meinst du das?"
"Nun,
wie soll ich es sagen", entgegnete sein Bruder mit einer
unbestimmten Handbewegung. "Es ist dir doch wohl klar, daß
Urban schon zu mürbe ist, um gegen deinen im frischen Saft
stehenden Vasallen morgen auch nur den Hauch einer Chance zu haben.
Ich meine, Dietrich wird diesen Zweikampf ohne große Mühe
gewinnen. Der Geroldsecker ist einfach nicht mehr jung genug für
so etwas. Den muß der Hafer gestochen haben, als er sich auf
diesen Handel einließ."
Graf
Max nickte, als würde er ihm zustimmen, aber seine Miene nahm
einen verwunderten Ausdruck an. "Das ist allein Urbans Problem,
meinst du nicht auch? Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinaus
willst."
"Er
meint, auch wenn Dietrich morgen mit dem Schwert den Freispruch für
sich und Ida erzwingt, ist das Problem für dich noch
nicht beseitigt!" mischte Elisabeth sich mit harter Stimme in
das Gespräch.
Unwillig
schüttelte der Burgherr den Kopf und entgegnete hitzig: "Liebe
Elisabeth, es ist dann nicht Dietrichs Klinge, sondern Gott, der die
beiden freispricht."
"Ja,
ja, das sagen die Pfaffen! In Wahrheit wird es ein ungleicher Kampf -
alt gegen jung. Das Ende davon kann man sich an fünf Fingern
abzählen!"
"Ich
bleibe dabei", antwortete Graf Max störrisch. "Es ist
dann eben der Wille Gottes."
"Na
schön", meinte Elisabeth und zog die Augenbrauen hoch.
"Glaube, was du willst! Aber darum geht es doch gar nicht.
Begreifst du nicht, daß du Dietrich aus deinem Leben entfernen
mußt?"
"Wenn
seine und Idas Unschuld durch ein Gottesurteil bestätigt wird,
wüßte ich nicht, warum
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