Die Klinge des Löwen 02
zu halten. Es entging ihm
nicht, daß über Urbans Gesicht der Schatten eines
hämischen Grinsens huschte.
Als
die beiden Pferde vor der Tribüne nebeneinander verhielten,
stand Titus still wie ein Steinbild.
"Ihr
Herren, die Ihr Euch hier eingefunden habt, um für die nach der
jeweiligen Meinung gerechte Sache zu streiten, hört, was ich als
Euer nach dem König oberster Lehnsherr zu sagen habe",
begann der Herzog. "Da es uns gestern in der Gerichtsverhandlung
verwehrt blieb, ein Urteil zu fällen, soll dies heute auf andere
Weise geschehen. Wir sind hier, um die Wahrheit durch ein
Gottesurteil herauszufinden. Das ist eine ernste Angelegenheit, denn
derjenige, der den kommenden Zweikampf verliert und wohl sein Leben
auf dieser Kampfstätte läßt, hat damit den Prozeß
verloren. Uns bleibt insofern erspart, ein Strafmaß zu finden,
denn Gott hat ein solches dann durch die Hand des Gegners bereits
zugelassen."
Er
verstummte und richtete seinen Blick auf Ida, ehe er, an sie gewandt,
mit unbewegtem Gesicht und gleichmütig klingender Stimme
fortfuhr: Sollte Ritter Dietrich der Verlierer sein, so ist auch über
Euch, Ida von Ortenburg, das Urteil gesprochen, denn er hat
gleichermaßen seine und Eure Ehre zu verteidigen."
Abermals
hielt er inne, um dann in milderem Ton hinzuzusetzen: "Für
Euch würde das bedeuten, daß Ihr Euer ferneres Leben in
einem Kloster Eurer Wahl zu verbringen hättet."
Bleich,
aber in stolzer aufrechter Haltung und mit unbewegtem Gesicht hatte
Ida dem grausam klingenden Hinweis des Richters gelauscht. Inzwischen
musterte der Herzog schweigend die beiden Kontrahenten in der
Kampfbahn, während im gesamten Zwinger nichts zu hören war,
als Finkenschlag und Meisengeläut der gefiederten Baumbewohner,
die sich keinen Deut um die seltsamen Angelegenheiten der unter ihnen
versammelten Menschen scherten. Der Fürst richtete jetzt das
Wort wieder an die beiden Kämpen: "Ich rufe euch noch
einmal die Regeln des heutigen Gottesgerichts in Erinnerung. Ihr
kämpft zuerst zu Pferde mit scharfen Lanzen. Topfhelm und Schild
sind selbstverständlich erlaubt. Das Lanzenstechen geht, wenn es
sein muß, über drei Durchgänge. Sofern danach keine
Entscheidung gefallen ist, werdet ihr mit Schwert und Schild zu Fuß
gegeneinander antreten. Ihr werdet dann aber ohne Helm kämpfen,
Lediglich die Kettenhaube, wie ihr sie jetzt schon tragt, ist euch
gestattet."
Abermals
verstummte Herzog Berthold für einen kurzen Moment und erhob
sich. Er nickte den beiden regungslos auf ihren Rossen sitzenden
Männern zu, hob mit majestätischer Geste die rechte Hand
und rief: "Mit Gott! Führt einen ehrlichen Kampf, wie es
sich für tapfere Ritter ziemt!"
Die
beiden Reiter verneigten sich und sprengten dann auf ihre
entgegengesetzten Anrittstellen, die jetzt von Platzordnern jeweils
durch einen weißen Wimpel kenntlich gemacht waren. Der Herzog
hatte sich wieder gesetzt und wandte sich an den neben ihm sitzenden
Max von Ortenburg. "Ich habe selten ein Roß gesehen, das
so eisern die Ruhe auch in kitzligen Situationen bewahrt, wie das von
Dietrich."
Graf
Max sah den Fürsten verständnislos an. Dieser lachte.
"Nein, Ihr habt, wie wohl die meisten hier, nichts bemerkt! Das
zeugt von der guten Dressur Dietrichs."
Er
neigte sich näher zu dem Burgherrn und sagte leise: "Urban
reitet eine rossige* Stute!"
* [ Rosse
(Einzahl) = Brunst der Pferde ]
Nachdem
Graf Max den Herzog einen langen Augenblick verblüfft angesehen
und dabei offensichtlich über dessen Bemerkung nachgedacht
hatte, schüttelte er entrüstet den Kopf und sagte
schließlich: "Das sieht diesem Holzkopf ähnlich!"
"Ja,
er hat wohl geglaubt, auf diese Art den Hengst des Gegners ablenken
und den Reiter dadurch umrennen zu können. Aber wie ich gesehen
habe, wird Urbans Stute den Rappen nicht mehr irritieren, solange
Euer Mann ihn reitet!"
Mittlerweile
hatte Dietrich seinen unförmigen Topfhelm, der mit einem
goldfarbenen Helmbusch geschmückt war, aufgesetzt und
festgebunden. Er hatte sich den Schild und eine Lanze reichen lassen
und sein Roß zum Anritt versammelt. Auch Urban von Geroldseck
trug inzwischen einen schwarz angestrichenen eisernen Helm, auf
dessen Oberseite zwei ebenso schwarz angemalte hölzerne Flügel
ruhten, die wohl Adlerschwingen darstellen sollten. Alles an diesem
Aufzug von Roß und Reiter wirkte in seiner Schwärze
drohend wie eine Todesbotschaft und mochte dazu dienen, dem Gegner
schon im voraus den Schneid abzukaufen.
Ein
durchdringendes
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