Die Klinge des Löwen 02
anbelangte, gleiche äußere
Bedingungen vorfinden würden. Die am Vortag errichtete Tribüne
füllte sich nach und nach mit den Herren der Ritterschaft, von
denen besonders jene, die in Begleitung ihrer Damen erschienen, vom
gemeinen Volk unten auf dem Rasen neugierig betrachtet wurden. Manch
bewundernde, aber auch neidvolle Blicke fielen auf die in prächtige
Gewänder gekleideten Herrschaften. In den Reihen der einfachen
und zumeist leicht zu beeindruckenden Menschen gab es aber auch
solche, die tiefer auf den Grund der Dinge sahen, als die lärmende
Masse. Ihnen erschien es, als gebärdeten sich nicht wenige der
Edelleute da oben eher, als seien sie Gäste bei einem
vergnüglichen Fest und nicht Zeugen eines Blutganges, an dessen
Ende der Tod wartete.
Noch
aber waren die Ehrenplätze für Herzog Berthold und den
Hausherrn leer und sie sollten es auch noch für geraume Zeit
bleiben. Vor der Tribüne standen zwei Ritter in gelbem
Wappenrock, die beide als Marschälle den Zweikampf überwachen
würden. Neben ihnen befanden sich drei Posaunenbläser,
zweifarbig in Gold und grelles Rot gekleidet, die zum Gefolge des
Herzogs gehörten. Sie alle warteten auf das Eintreffen des
Fürsten.
Am
südlichen Ende der Kampfbahn hatte sich Graf Urban von
Geroldseck bereits mit einigen seiner Knappen und Waffenknechte
eingerichtet. Er stand neben seinem Streitroß, einer weißen
Stute, auf deren schwarzer Roßdecke die Wappenbilder des
Geroldseckers leuchteten. Urban selbst trug einen ebenfalls schwarzen
Waffenrock, darunter ein langes Kettenhemd, das im Schritt geteilt
war, um beim Reiten nicht zu behindern, während seine Beine
durch lange Kettenhosen geschützt waren. Im Wehrgehenk am
breiten Gürtel hing sein Schwert, das er nach dem Lanzenstechen
für den Nahkampf benutzen würde - falls es dazu käme!
Über den bulligen Kopf hatte er die Kettenhaube gezogen, die ihm
in der Verlängerung wie eine Kapuze bis auf die Schultern
reichte. Unmittelbar neben ihm hielt ein Knappe den eisernen Topfhelm
für den Speerkampf bereit, den sein Herr sich allerdings erst
kurz vor Kampfbeginn über den Kopf stülpen würde, um
nicht schon vorher in Schweiß zu geraten.
Diesen
Anblick fand Dietrich vor, als er auf seinem prächtig
aufgezäumten Rappen in den Zwinger einritt, gegürtet mit
dem Schwert, den Schild am linken Arm. Hinter ihm folgte Roland zu
Fuß und schleppte Lanzen, Helm und einen Lanzenbehälter
mit sich. Letzterer bestand aus drei Eisenstäben, die oben durch
einen gelochten Holzring verbunden und mit ihren zugespitzten Enden
in die Erde gesteckt wurden. Alles in allem ein etwas kläglicher
Zug, den da die Zuschauer zu Gesicht bekamen, wenn sie es mit dem
Aufwand an Knappen und Dienstmannen des Geroldseckers verglichen. So
war es nicht verwunderlich, daß aus den Reihen des niederen
Volkes manches spöttische Wort zu den Neuankömmlingen
herüberflog.
"Hoho,
Ritter Habenichts zieht in den Kampf!"
"Spät
kommt er, aber immerhin - er kommt!"
"Drei
Lanzen hat er dem Jungen aufgehalst, wo eine genügt hätte!"
"Wieso?"
"Weil
ihn der Geroldsecker im ersten Anritt aus dem Sattel sticht!"
Roland
war im Begriff, voller Empörung über die Spötter auf
die Stelle zuzugehen, wo der ärgste Schreier sich zwischen den
Zuschauern verbarg.
"Bleib
hier!" befahl Dietrich in scharfem Ton. "Laß den
Pöbel schreien."
Er
stieg vom Pferd, während der Knappe sich murrend fügte. Da
Graf Urban sich seinen Platz schon gewählt hatte, traf Dietrich
Anstalten, sich an Ort und Stelle einzurichten. Er legte den Schild
ab und sah Roland zu, wie dieser die Streben des Lanzenkorbes an
geeigneter Stelle in die weiche Erde drückte und die drei Lanzen
hineinstellte. Die Schreier unter den Zuschauern hatten inzwischen
ihre Spottreden eingestellt. Ihnen schien klar geworden zu sein, daß
sie damit bei Dietrich keinen Eindruck erweckten.
Endlich
hoben die wartenden Posaunenbläser ihre Instrumente zum Mund und
bliesen den Willkommensgruß. Unmittelbar darauf erschien Herzog
Berthold auf der Bildfläche. Er wurde begleitet von einem
Dutzend Leuten, darunter der Burgherr und seine Gemahlin Ida, Werner
und Elisabeth von Husen sowie einige Knappen und Dienstmannen.
Dietrich, der den Einzug der hohen Herrschaften und ihres Gefolges
mit unbewegtem Gesicht verfolgte, bemerkte, daß Graf Max
offenbar in bester Stimmung zu sein schien. Während sie über
den Rasen schritten, scherzte er mit dem Herzog und lachte sogar.
Keine Spur mehr von der finsteren
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