Die Klinge des Löwen 02
Köpfe waren nur durch die
Kettenhaube geschützt, wie es die vom Herzog erlassene
Vorschrift für diesen Zweikampf befahl. Sie standen etwa fünf
Schritte voneinander entfernt und warteten auf das Signal der
Posaunen. Vor der Tribüne und auf der gegenüberliegenden
Seite stand jeweils einer der Marschälle, beide mit einem
Bewaffneten neben sich, der das Recht hatte, in den Kampf
einzugreifen, wenn nach Ansicht eines Marschalls einer der Kämpfer
unlautere Mittel anzuwenden versuchte.
Es
war ein wunderschöner Frühsommertag, vom blanken Himmel
lachte eine strahlende Sonne. Und doch war es nicht wirklich heiß,
denn von Nordwesten wehte eine leichte Brise, die den Kämpfern
die heißen Köpfe kühlen würde. Dietrichs Klinge
gleißte in der Sonne und warf wie ein Spiegel Reflexe auf die
Menschen am Rande des Platzes. Aber viele der Zuschauer sahen auch,
daß das Schwert seines Gegners ein breiteres Blatt hatte. Wer
von den beiden mit dem besseren Stahl focht, mochte die nahe Zukunft
zeigen.
Endlich
ertönte ein Fanfarenstoß. Der Marschall vor der Tribüne
hob daraufhin den rechten Arm, wandte kurz den Kopf jedem der beiden
wartenden Ritter zu und ließ seinen Arm dann wieder sinken, als
Zeichen, den Kampf zu beginnen.
Was
Dietrich etwas erstaunte und gleichzeitig zur Vorsicht mahnte, als er
Urban langsam näherkommen sah, war dessen wutentbrannte Miene.
Offenbar hatte er die Schmach der Niederlage im Lanzengefecht noch
nicht geschluckt. Dietrich versuchte, den anderen zu umkreisen, doch
der verstellte ihm sofort den Weg.
Und
dann ging es blitzschnell. Urban täuschte einen Schlag mit der
Klinge vor. Dietrich riß seinen Schild hoch und verlor dadurch
für einen Augenblick die Übersicht. Der Geroldsecker nutzte
das sofort aus, und ein Hagel von gewaltigen Schlägen, in die er
seine ganze Wut legte, traf Dietrichs Schild. Schlimmer noch, Urban
trieb den Kontrahenten entlang der Schranken vor sich her und
zerschlug ihm langsam, aber sicher den Schild.
Vor
lauter Schreck darüber, daß der alternde Urban die Kraft
für eine solch ausgedehnte Attacke hatte, war Dietrich unfähig,
mit seiner Klinge dagegenzuhalten. Eine Art Panik begann ihn zu
erfassen, als der Ansturm eher heftiger wurde, als nachzulassen. Der
junge Ritter war nur noch bestrebt, Kopf und Leib zu schützen,
und begann allmählich unter den furchtbaren Schwertstreichen zu
wanken. Unbarmherzig schlug der Geroldsecker zu, mit einer
Geschwindigkeit und Ausdauer, die man eher bei dem jungen Dietrich,
als bei dem wesentlich älteren Geroldsecker vermutet hätte.
Es begann sich abzuzeichnen, daß Dietrichs Schild in Kürze
völlig zerstört sein würde.
Selbst
die Zuschauer schienen gelähmt. Es war unerklärlich, woher
Urban seine Kraft nahm, um einen solchen Wirbel von Schwertschlägen
so lange durchzuhalten. Aber die meisten wußten eben nicht, was
Haß und daraus genährter Vernichtungswille vermochten. Sie
schienen auch nicht zu sehen, daß Urbans Schwert seine
ursprüngliche Form ganz allmählich veränderte.
Dietrich
jedoch hatte trotz aller Panik und Passivität Augen im Kopf.
Trotz des gleißenden Sonnenlichts, das über dem Platz lag
und ihn mitunter blendete, sah er, was sich anbahnte. Inzwischen
hatte Urban allerdings seinen Gegner über dessen Standplatz
hinaus auf den Torbau zugetrieben. Das Tor stand offen, die
Fallbrücke war heruntergelassen. Die beiden Torwächter
hatten, als das Kampfgetümmel sich ihnen näherte,
vorsorglich jenseits der Brücke Posten bezogen.
Der
Geroldsecker war inzwischen krebsrot im Gesicht, und immer noch
schlug er mit unverminderter Härte zu. Wenn der Kampf so
weiterging, würden die beiden schon bald draußen vor den
Mauern der Burg angelangt sein! Die Edlen auf der Tribüne mußten
bereits die Köpfe recken, um das Duell zu verfolgen.
Kurz
vor der Torhalle parierte Dietrich endlich mit seinem Schwert des
Gegners Waffe. Seine Klinge fuhr funkensprühend und mit einem
singenden Ton daran entlang bis zur Parierstange des gegnerischen
Schwertes. Rasch schleuderte er den zerschlagenen Schild zur Erde und
stieß den schweratmenden Urban mit einem mächtigen Stoß
von sich, so daß dieser drei Schritte zurücktaumelte. Ohne
Pause ließ er einen gewaltigen Schwertstreich folgen, um dem
Gegner keine Zeit zu lassen, sich erneut aufzustellen. Mit Mühe
fing dieser mit dem Schild den gegnerischen Dachschlag auf, wobei er
jedoch wiederum ein, zwei Schritte zurückwankte.
Jetzt
ging das Spiel den umgekehrten Weg.
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