Die Klinge des Löwen 03
in
schnellem Lauf die eigene Linie zu erreichen und Urban von Geroldseck
zu berichten, was da auf sie zukam.
In diesem Augenblick
brach im hinteren Teil des Mortenauer Heeres Unruhe aus. Als Dietrich
sich umwandte, sah er, wie Giselbert sich einen Weg bahnte, indem er
sein Roß rücksichtslos durch die Menge der Krieger trieb,
die fluchend und schimpfend zur Seite sprangen und ihre Nebenleute
beiseite drängten, um aus der Reichweite des schäumenden
Pferdes zu gelangen. Als er Dietrich erblickte, spornte er sein Roß
zu noch schnellerer Gangart an und brachte es endlich vor dem jungen
Ritter zum Stehen.
"Herr",
keuchte er, "die Slawen aus Offinburc nahen! Es sind viele - das
ist nicht bloß eine Vorhut!"
"Welchen Weg
nehmen sie?" fragte Dietrich rasch.
"Für mich
sah es so aus, als wollten sie das Künzigtal hinaufziehen. Ich
hatte allerdings nicht den Eindruck, daß sie es eilig haben."
"Wo sind sie
jetzt?"
"Als ich...als
wir unseren Beobachtungsposten verließen, waren sie bereits auf
halbem Weg zwischen Offinburc und der Ortenburg."
Um die beiden hatten
sich mittlerweile zahlreiche Kriegsknechte geschart und lauschten mit
gespannter Neugierde dem Bericht Giselberts, während sich eine
wachsende Menge weiter weg befindlicher Bewaffneter herandrängte,
um ebenfalls zu hören, was der Auflauf bedeutete. Dietrich sah,
daß er rasch handeln mußte, weil sonst schon bald
unsinnige Parolen unter den erregten Mannen die Runde machen und neue
Unruhe in das gerade erst mühsam sich ordnende Heer bringen
würden. Er zog seinen Rappen herum und schloß wieder zu
Graf Max auf. In kurzen Worten schilderte er ihm, was Giselbert
berichtet hatte.
"O Gott!"
rief der Graf aus, als er hörte, daß seine Burg
unmittelbar gefährdet sei. "Das ist entsetzlich! Einen
besseren Zeitpunkt hätten sich die Slawen nicht aussuchen
können!"
"Graf, wir
müssen eine Entscheidung treffen. Sofort! Wir müssen diese
Bande aus Offinburc stellen!"
Es fiel Dietrich
erneut auf, daß alles, was eine rasche, entschlossene Handlung
notwendig machte, den Grafen zu überfordern schien. Er wartete
daher nicht, bis dieser sich gefaßt haben mochte. Wortlos
wandte er sich ab und trieb sein Roß an den Rand der
Heeresmasse. Als er endlich freie Bahn hatte, galoppierte er zur
Spitze, wo Urban sich inmitten seiner Bannerträger aufhielt und
in stolzer Haltung darauf wartete, daß man ihm die
Einsatzbereitschaft des Heeres meldete.
"Ah, unser
junger Held zeigt sich endlich!" begrüßte ihn der
Geroldsecker mit spöttischem Unterton. "Ich dachte schon,
Ihr hättet Euch auf die Ortenburg zurückgezogen, um statt
im blutigen Kampf vor einem ungefährlichen Silbers piegel* zu fechten!"
*[ Die
Spiegel waren im Hochmittelalter aus poliertem Metall. ]
"Laßt
Eure Scherze", rief Dietrich hitzig. "Im Rücken
unseres Heeres naht eine ziemlich große Streitmacht des
Feindes!"
"Was? Wer sagt
das?"
Dietrich drängte
seinen mächtigen Rappen hart gegen das Roß des anderen,
das scheute und zur Seite ausgebrochen wäre, wenn sein Reiter es
nicht rechtzeitig zur Ruhe gezwungen hätte. Ehe aber Urban
seinem Ärger darüber Luft machen konnte, rief Dietrich
zornig: "Ich habe nachgeholt, was Ihr versäumt habt, und
sandte Späher in Richtung der Marktsiedlung. Und genau von dort
naht gerade ein Reiterheer des Feindes, das recht stark sein muß!
Wenn wir nicht rasch handeln, geraten wir in eine unheilvolle Lage -
vor und hinter uns Slawen, und wir mittendrin in der Falle! Wollt Ihr
das?"
Urban, der mit
offenem Mund zugehört hatte, wurde aschfahl. "Ich
dachte...ich wollte das Heer soeben auf den Hügelkamm führen,
weil wir so den Gegner zwingen, bergauf zu kämpfen..."
"Daraus wird
jetzt nichts!" rief Dietrich ungeduldig. "Das Heer muß
sofort umkehren und sich zuerst den Rücken freikämpfen,
dann sehen wir weiter!"
Urban, den diese
scharfe Änderung der Lage konfus zu machen schien, blickte
ratlos um sich, so daß Dietrich ihn aufgebracht anschrie: "Was
zögert Ihr noch? Gebt sofort den Befehl zur Umkehr! Unser
Ritterheer muß jetzt an die Spitze! Wir können nicht
warten, bis sich alles neu formiert hat!"
Endlich reagierte
der Geroldsecker. Er schickte berittene Boten mit der Nachricht nach
hinten, das Reiterheer aus der Masse der Krieger herauszulösen
und auf den unerwarteten Gegner einzustellen. Den Berittenen sollte
die Streitmacht der Fußsoldaten unverzüglich folgen, so
daß das ganze Mortenauer Heer schließlich auf den neuen
Feind hin ausgerichtet
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