Die Klinge des Löwen 03
damit
Dietrich bewußt übergangen. Dort, an der Spitze des linken
Flügels, flog nun ein weiteres Geroldsecker Banner im Wind, was
Urban ungemein freute, demonstrierten doch auf diese Weise seine
Farben, wer das Heer zu einem glorreichen Sieg führen würde!
Eine solche
Betrachtungsweise lag Dietrich als dem Betroffenen des Ränkespiels
fern. Ihm war es im Gegenteil recht, daß er für die
Schlacht keine Führungsaufgabe übernehmen mußte. So
war er frei und ungebunden und konnte sich seinen Platz aussuchen und
handeln, wie es die Situation erforderte.
Es dauerte eine
Weile, bis Dietrich und Roland sich durch das Gewühl der eigenen
Kriegshaufen zu der berittenen Abteilung des Grafen Max durchgekämpft
hatten. Sie hielten sich dicht neben ihm, und Dietrich beobachtete
ihn unauffällig. Der Graf schien sich sichtlich erholt zu haben,
nur war er nach wie vor bleich im Gesicht.
"Dietrich",
wandte er sich, nachdem sie geraume Zeit schweigend nebeneinander
hergeritten waren, unvermittelt an den jungen Ritter. "Ich muß
dir jetzt etwas sagen, was ich eigentlich vor dem Kampf hätte
tun sollen, aber so manche unangenehmen Dinge schiebt man vor sich
her, bis..."
Er verstummte, als
fiele es ihm schwer, das auszusprechen, was ihm auf der Zunge lag.
Schweigend sah Dietrich zu ihm hinüber und wartete gespannt
darauf, was nun käme.
"Also,
Dietrich, um es kurz zu machen", sagte Graf Max schließlich
in entschlossenem Ton. "Man weiß ja nie, wenn man in den
Krieg zieht, so wie jetzt, ob man lebend wieder heimkommt, nicht
wahr?"
Dietrich hielt die
Zügel seines Titus in der rechten Hand, während er die
Linke auf den Schenkel stützte. Überrascht beugte er sich
im Sattel zu dem Grafen. "Was wollt Ihr damit sagen?"
"Du weißt,
was ich meine. Mir war heute morgen, zwar nur für kurze Zeit,
aber doch deutlich, als würde ich die Burg nicht mehr
wiedersehen!"
Dietrich richtete
sich wieder auf und setzte sich gerade. Er sah, wie Titus die Ohren
kurz nach hinten legte, als wollte der Rappe hören, was sein
Reiter antwortete. Der suchte krampfhaft nach Worten, aber Graf Max
kam ihm zuvor.
"Nenne es, wie
du willst - vielleicht war es nur eine Anwandlung, wie man sie
mitunter vor einer bedeutenden Schlacht hat..."
"Aber ja",
pflichtete Dietrich eifrig bei, erleichtert über diese Auslegung
des Grafen. "So würde ich das auch sehen."
"Einerlei",
gab Max düster zurück. "Sollte ich im Kampf fallen,
dann kümmere du dich um die Ortenburg, um meinen kleinen Sohn
und..." Hier zögerte der Graf einen Moment, ehe er tonlos
hinzusetzte: "...und um Ida. Versprich mir das!"
Betroffen starrte
Dietrich vor sich hin. Warum wollte der Graf ausgerechnet ihn zum
Beschützer seiner Gemahlin machen - nach allem, was geschehen
war und jetzt zwischen ihnen stand?
"Nun, wie ist
es, kannst du dich nicht entschließen, ja zu sagen?"
forschte Max in fast ängstlichem Ton.
"Doch, ja,
selbstverständlich", beeilte sich Dietrich, dem anderen
sein Einverständnis zu versichern. "Aber dieser Fall
braucht doch gar nicht einzutreten!"
Graf Max warf dem
jungen Ritter einen seltsam wissenden Blick zu. "Das haben schon
viele geglaubt, bis ein Schwert, ein Speer oder auch nur ein Pfeil
sie eines Bessern belehrte."
"Ihr seht zu
schwarz, Graf!"
"Nun gut,
Dietrich - ich habe dein Wort. Beenden wir das Thema und
konzentrieren wir uns auf das, was vor uns liegt."
Zum Zeichen, daß
er nicht gewillt war, noch weiter über seine Sorgen zu sprechen,
winkte er einem der ihn begleitenden Knappen. Er ließ sich
seinen goldfarbenen Helm mit dem Nasenschutz reichen, den er sich
überstülpte und mit dem Lederriemen festband. Dietrich
folgte wortlos seinem Beispiel, denn das Heer hatte sich mittlerweile
bis auf Pfeilschußweite an die Thiersperger Höhen
herangeschoben.
Die Aufstellung der
Bogenschützen, des Reiterheeres und der Fußtruppen ging
mit der üblichen Unruhe vonstatten, und oben auf dem Kamm lagen
die Späher und beobachteten, wie aus den jenseitigen Wäldern
die Slawen herausfluteten und sich zu Kampfgruppen ordneten. Sie
sahen, wie sich diese riesige Heeresmasse gleich einem formlosen
Ungeheuer in Bewegung setzte, angeführt von der berittenen
Streitmacht, und sich langsam, aber zielstrebig auf den Höhenzug
und damit auf die lauernden Späher zuschob. So manchem der
Beobachter sank angesichts dieses gewaltigen Aufmarsches und den in
der Sonne funkelnden Waffen das Herz. Einige verließen ihren
Posten und krochen außer Sicht des Feindes, um dann
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