Die Klinge des Löwen 03
geschlossen den Hügel herunterkommt, dann
werden wir uns einer solchen Walze nicht in den Weg stellen."
"Ja",
sagte Roland beklommen. "Davor habe ich Angst."
"Das brauchst
du nicht", sagte Dietrich. "Jeder Mensch, der bei vollem
Verstand ist, geht einer derartigen Masse von Rossen und Reitern aus
dem Weg, wenn das Gelände deren Stoßkraft verdoppelt. Wir
jedenfalls werden keinem der unsinnigen Befehle des Geroldseckers
Folge leisten!"
Inzwischen war Urban
dabei, die Bogenschützen in zwei Linien aufzustellen, wobei die
erste sich auf ein Knie niederlassen sollte, damit die hintere Reihe
freies Schußfeld hatte. Aber schon bei diesen Kriegern regte
sich Widerstand gegen die Aussicht, von rund fünfhundert
Berittenen niedergetrampelt zu werden. Wie Dietrich bemerkte,
begannen auch deren adlige Herren zu murren. Als einer der ersten
machte Konrad von Schauenberg m it lauter
Stimme seinem Unmut Luft, so daß immer mehr Krieger aufmerksam
wurden.
"Was Ihr da
vorhabt, Urban, ist nicht gut! Die gegnerische Übermacht ist zu
groß. Unsere Mannen sind abgehetzt und müde."
"Ja, haltet
ein, Graf Urban!" rief jetzt ein weißhaariger Edelmann,
der trotz seines vorgerückten Alters mit seinen Waffenknechten
dabei war. "Eine Schlacht haben wir gewonnen - das ist genug für
heute! Wir opfern unsere Krieger nicht in einem aussichtslosen
Kampf!"
So ging es weiter,
und immer mehr Anführer rebellierten. Schon begannen die ersten,
ihre Mannschaften aus der unmittelbaren Gefahrenzone herauszuziehen.
Dietrich erkannte, daß nicht mehr viel fehlte, und das Heer
würde auseinanderlaufen. Wenn aber das geschah, würde der
Feind ihnen mit seiner ganzen Stoßkraft in den Rücken
fallen!
"Roland",
rief er seinem Knappen zu, "Warte hier! Ich will versuchen, die
Krieger zu beruhigen, sonst erleben wir eine Katastrophe!"
Dann trieb er sein
Roß eilig vor die Front des Heeres und zügelte es neben
Urban, dem es angesichts des Widerstandes, der ihm entgegenschlug,
scheinbar die Sprache verschlagen hatte.
"Wir müssen
Ruhe in das Heer bringen", rief er dem Geroldsecker zu. "Sonst
ist die Schlacht verloren, noch ehe sie begonnen hat."
Ein verkrampftes
Lächeln erschien auf Urbans Gesicht. "Na, dann versucht es
mal mit diesem rebellischen Volk!"
Dietrich überhörte
den Zynismus des Grafen und wandte sich den lautesten Schreiern zu.
Er hob die Rechte, um sich Gehör zu verschaffen, und tatsächlich
verebbte der Lärm.
"Hört mich
an, Leute! Was ihr hier aufführt, bringt euch, eure Familien und
das Land in höchste Gefahr! Ich verstehe, daß ihr ermüdet
seid und jetzt nicht kämpfen wollt. Aber die Uneinigkeit, mit
der ihr versucht, der Schlacht mit dem Feind auszuweichen, bedeutet
eine Einladung für ihn! Die Slawen auf dem Höhenkamm sehen
doch, was bei uns los ist, und ich wundere mich, daß sie noch
nicht angegriffen haben. Vielleicht sind sie auch mißtrauisch
und denken, unser Durcheinander hier unten sei womöglich eine
Falle. Lassen wir sie in dem Glauben und ziehen uns unverzüglich
auf ebenes Gelände zurück. Das nimmt dem zu erwartenden
Angriff des Gegners die Wucht, die er sonst hangabwärts nutzen
könnte. Wir wollen..."
Weiter kam er nicht,
denn er bemerkte, daß einige Krieger, die ihm am nächsten
standen, auf etwas deuteten, das sich hinter ihm abspielte. Er wandte
sich im Sattel um und sah, wie sich die erste Welle der Angreifer vom
Höhenkamm löste, in sich steigernde Geschwindigkeit fiel
und wie eine Lawine aus wogenden Pferdeleibern den Hang herunterkam.
Das dumpfe Donnern
der Pferdehufe in den Ohren, wandte er sich wieder dem Heer zu.
"Bogenschützen, aufgepaßt! Laßt eure Pfeile
fliegen!"
Während die
Bogner dem Befehl nachkamen, trieb Dietrich sein Roß auf die
Seite, um das Schußfeld freizumachen, und winkte Urban, es ihm
gleichzutun. Der Geroldsecker gehorchte mit verkniffener Miene. Jeder
konnte sehen, daß es ihn mächtig wurmte, von dem jungen
Ritter plötzlich in den Schatten gestellt zu werden. Darauf aber
nahm Dietrich jetzt keine Rücksicht. Denn um nicht völlig
vernichtet zu werden, mußte das Heer sofort reagieren.
"Lanzenkämpfer",
schrie er, so laut er konnte. "Stellt euch hinter die
Bogenschützen und bildet den Lanzenwall!"
Rasch und ein wenig
hektisch eilten die aufgerufenen Krieger auf ihre Plätze. Sie
rammten, so gut es ging, ihre Lanzen schräg in die
ausgetrocknete Erde, stellten einen Fuß zur Sicherung auf das
Ende des Schaftes, während die scharfen Eisenspitzen gegen den
Feind
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