Die Klinge des Löwen 03
Urban, daß der
Feind aus dem Wald herauskomme und dessen Heeresmasse sich auf die
Thiersperger Höhen zubewege.
Kurze Zeit später
brachte ein greller Posaunenstoß das Lager an der Künzig in Bewegung. Bald riefen weitere
Hornsignale die Kriegsscharen der Edlen zu den Waffen. Die einzelnen
Mannschaften sammelten sich um ihr jeweiliges Banner, und wie ein
breiter Strom ergoß sich schließlich die Heeresmasse in
die fast ausgetrocknete Künzig. Statt Wasser, füllten die
vielen Leiber von Menschen und Pferden das Flußbett und quollen
auf der anderen Uferseite an Land.
Inzwischen hatte
Roland dem Rappen Dietrichs die nachtblaue Roßdecke
übergestreift, ihn gesattelt und aufgezäumt. In diesem
prächtigen und noch unbeschmutzten Kleid führte er das Roß seinem Herrn zu, der sich wortlos in den
Sattel schwang, denn auch ihn hatte die Spannung ergriffen. Wenig
später bewegten beide ihre Pferde langsam ans Flußufer, um
den Übergang der Kriegerscharen zu beobachten. Während
Dietrich zusah, wie die Kämpfer hoch zu Roß oder zu Fuß
an ihm vorüberzogen, ging ihm allerlei durch den Kopf.
Seltsamerweise kam ihm die Thiersburg in den Sinn, die jetzt sein
Lehnsbesitz war. Er stellte sich Adelheid vor, die dort als seine
Gemahlin lebte und wirkte. Ob sie wohl zurechtkam? Sicher ahnte sie
nicht, daß ein feindliches Heer in ihrer Nähe vorüberzog,
sie wäre wohl sonst vor Angst vergangen.
Hätte er sie
warnen sollen? Nein, dachte er im gleichen Augenblick. Das hätte
sie nur unnötig aufgeregt. Er hielt es für ausgeschlossen,
daß die Slawen die Burg entdeckten, die gut versteckt weit
hinten im Tal lag. Anders sah es mit der Ortenburg aus, wo Ida sich
aufhielt! Diese Burg lag frei auf dem Bergsporn, der schroff in die
Ebene hinausragte. Schon von weitem erkennbar, beherrschte sie den
Eingang ins Künzigtal. Für jeden Feind, der über die
alte Römerstraße vorstoßen wollte, verhinderte die
Feste wie ein Riegel das Weiterkommen.
Falls es nicht
gelang, die Slawen zu besiegen, würde in dem dann
wahrscheinlichen wochenlangen Krieg die Ortenburg ein vorrangiges
Angriffsziel des Feindes sein. Seine Geliebte würde sich in
einem Hexenkessel befinden! Bei diesem Gedanken überlief es
Dietrich plötzlich siedend heiß - das Gebiet nördlich
der Ortenburg war ja völlig ungesichert! Die Möglichkeit,
daß auch die Slawenabteilung in Offinburc vorrücken
konnte, hatten sie nach der nächtlichen Besprechung in Urbans
Zelt schlicht übersehen! Sämtliche Spähtrupps befanden
sich jetzt im Westen - aber nicht ein Kundschafter war eingesetzt, um
das nördlich liegende Gebiet zu beobachten! Von der
Marktsiedlung bis zur Ortenburg war es für eine berittene
Streitmacht nur ein Katzensprung. Die in Offinburc liegende
Slaweneinheit konnte somit entweder das Ritterheer unbehelligt im
Rücken fassen oder gleich die fast wehrlose Burg angreifen,
während deren Verteidiger größtenteils in der
Schlacht gegen die Hauptmacht der Slawen standen!
Erregt sah sich
Dietrich nach seinem Knappen um. "Komm, Roland, wir müssen
Graf Max aufsuchen, mir ist etwas Wichtiges eingefallen! Er befehligt
den rechten Flügel unseres Reiterheeres. Wir müssen ihn finden, hörst du! Solltest du ihm zuerst begegnen, sage ihm,
gegen Angriffe aus nördlicher Richtung ist weder unser Heer noch
seine Burg gesichert. Ich brauche dir wohl nicht zu sagen, daß
es eilt? Reite du außen herum, ich versuche es hier durch die
Mitte!"
Roland hatte schnell
begriffen. "Jawohl, Herr! Wir müssen schnellstens den
Norden sichern."
Er trieb seinen
Wallach an und trabte am Rande der Heeresmasse entlang, während
Dietrich sein Streitroß mitten durch das Gewühl
manövrierte. Aufgewirbelter Staub senkte sich auf Roß und
Reiter und waberte über den Köpfen von Mensch und Tier.
Pferde wieherten, Kriegsknechte fluchten, und die Banner der
einzelnen Mannschaften hingen schlaff an ihren Stangen, denn es war
völlig windstill. Die beiden Suchenden stießen schließlich
fast zur selben Zeit auf Max von Ortenburg, der sich mit seinen
berittenen Einheiten langsam auf das vorgesehene Schlachtfeld
zubewegte.
Der Burgherr
erbleichte, als Dietrich ihm in knappen Worten klarmachte, daß
sowohl die rechte Flanke des Heeres als auch seine Burg gefährdet
seien.
"Mein Gott",
murmelte er. "Wie konnten wir das vergessen..."
Dietrich fiel auf,
daß seinem ehemaligen Lehnsherrn der Schweiß von der
Stirne rann, obwohl es an diesem Morgen noch einigermaßen kühl
war. Warum schwitzte der
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