Die Klinge des Löwen 03
wesentlich
schwächer als die furios angreifende Streitmacht der Mortenauer,
war an diesem Tag und unter den gegebenen Umständen gegen den
geballten Vernichtungswillen der von Urban geführten Mannen kein
Kraut gewachsen. Ein Drittel der Slawen fiel bei dem Sturmangriff der
deutschen Recken. Nur wenige vermochten sich aus dem Staub zu machen,
so schnell ihre Rosse laufen konnten. Einer der ersten, der die
Flucht ergriff, war ihr Hauptmann Branka. Die anderen sahen sich von
den feindlichen Rittern eingekesselt. Angesichts der Übermacht
gaben sie jede Gegenwehr auf und streckten die Waffen. Siebzig an der
Zahl gerieten in Gefangenschaft.
Urban, im Hochgefühl
des schnellen Sieges, war jetzt nicht mehr zu bremsen. In seinem
Überschwang kommandierte er gleich fünfzig Berittene ab,
die als Bewachung die Gefangenen zur Ortenburg bringen sollten, ohne
zu bedenken, daß ihm die großzügig bemessene
Reiterschar an diesem Tag noch fehlen könnte.
Von der Feste aus,
so der mit Graf Max abgesprochene Plan, sollten die Slawen später
auf verschiedene Burgen als Arbeitskräfte verteilt werden.
Schlimm war allerdings, daß der Geroldsecker nun von einem
Übermut beherrscht wurde, der ihn die Dinge in einem völlig
falschen Licht sehen ließ. Anstatt dem Heer Ruhe zu gönnen,
befahl Urban - gegen den Widerspruch Dietrichs - den erneuten Marsch
zu den Thiersperger Höhen.
Mittlerweile war es
Mittag, die Sonne brannte vom Himmel, und es herrschte inzwischen die
berüchtigte schwüle Hitze der Rheinebene. Der von Mensch
und Tier aufgewirbelte Staub tat ein übriges, um die Krieger zu
ermatten, und viele von ihnen trotteten mit ausgedörrten Kehlen
dahin. Als das müde Heer wieder am Fuße des Höhenzuges
stand, mußte auch Urban erkennen, daß er jetzt die
denkbar schlechteste Ausgangslage hatte. Die Hauptmacht des
feindlichen Reiterheeres, nahezu doppelt so stark wie sein eigenes
und vor allem ausgeruht, hatte sich auf und hinter dem Kamm
aufgestellt und stand zum Sturm bereit - gegen einen erschöpften
Feind, der, weit geringer an Zahl, nunmehr gezwungen war, bergauf zu
kämpfen.
"Wir sollten
uns zurückziehen, so lange es noch geht", rief Dietrich
erregt und trieb sein Pferd neben das Roß des Geroldseckers.
"Es war ein Fehler, fünfzig Berittene auszusondern, um den
Gefangenentransport zu bewachen! Sie fehlen uns jetzt! Ich sage es
noch einmal - zieht das Heer zurück!"
"Und?" so
die aufsässige Antwort Urbans. "Dann fallen sie uns in den
Rücken! Meint Ihr vielleicht, das sei besser?"
Dietrich zwang sich
zur Ruhe. "Wir brauchen ihnen ja nicht den Rücken
zuzukehren. Wir weichen einfach zurück, und wenn wir das jetzt
gleich tun, dann haben wir schon bald ebenes Gelände zwischen
uns und dem Hang. So hat der Feind nicht mehr den Vorteil, bergab zu
kämpfen."
Finster schüttelte
Urban den Kopf. "Vor diesen Steppenstrolchen zurückweichen?
Niemals! Ihr habt doch selbst erlebt, wie schnell wir vorhin mit dem
Pack fertig waren. Glaubt Ihr etwa, die da oben sind andere
Menschen?"
"Es hat weniger
mit den Menschen zu tun, als mit den Umständen!" antwortete
Dietrich in eindringlichem Ton. "Bedenkt doch, unser Heer ist
nach dem Eilmarsch zu einem nicht vorgesehenen Kampfplatz und nach
der Schlacht, dem Rückmarsch und der Hitze, die jetzt herrscht,
entkräftet. Begreift Ihr das denn nicht?"
Urban winkte
verächtlich ab. "Ich begreife nur, daß Euch
anscheinend das Herz in die Hose gesunken ist! Gegen diese
Slawenhorde würde ich sogar mit Halbtoten standhalten!"
Dietrich zog sein
Streitroß abrupt herum und dachte verärgert: Mit diesem
Narren kann man nicht vernünftig reden! Was ihn allerdings noch
mehr erzürnte, war das passive Verhalten von Graf Max. Während
des vorangegangenen Gefechts war er noch erstaunt über die
Kampfkraft und Beweglichkeit, die Max an den Tag legte. Er hatte
schon gehofft, daß dieser seine melancholischen Anwandlungen
abgestreift habe. Aber bei dem jetzigen Disput mit dem Geroldsecker
war kein Wort von ihm zu hören. Scheinbar unbeteiligt saß
er im Sattel und starrte in die Gegend. Dabei wäre es mit seiner
Hilfe durchaus möglich gewesen, Urban umzustimmen.
Angesichts der
Sturheit des Geroldseckers und der Teilnahmslosigkeit von Graf Max
erkannte Dietrich, daß es ihm versagt war, das Unheil
abzuwenden. So zog er für sich die entsprechende Konsequenz. Er
winkte seinem Knappen, ihm zu folgen.
"Wir werden uns
am rechten Rand des Heeres aufstellen", sagte er. "Wenn die
slawische Reiterei
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