Die Klinge des Löwen 03
und sein Heer
sich für einen längeren Aufenthalt einzurichten schienen.
Rund um den Ort wuchsen mit der Zeit zahlreiche Zelte und primitive
Hütten empor, in denen die Krieger zu hausen gedachten, wenn der
Winter kam, oder wenn sie Schutz bei schlechtem Wetter suchten.
Der
Spätsommer ging zu Ende, und der Regen ließ weiter auf
sich warten. Das Land ächzte unter der Trockenheit, die Künzig
war ein Schatten ihrer selbst, und nur noch ein lächerliches
Rinnsal suchte sich seinen Weg zum Rhein. Zwar zogen hie und
da manchmal Wolken auf, die mitunter auch einen Schauer auf die
durstige Erde sandten, aber die trockengefallenen Quellen wurden
davon nicht wieder munter. Die vom Wassermangel betroffenen Menschen
hatten eine harte Zeit und mußten oft weite Wege gehen, um sich
daß begehrte Naß zu beschaffen.
Der Herbst zog mit
so warmen Temperaturen ins Land, daß viele Leute meinten, ein
neuer Sommer breche an. Allerdings gaben Erde und Mond nichts auf die
Meinung der Menschen. Sie zogen unbeirrt ihre Bahn und lehrten die
närrischen Erdbewohner, daß alles seinen gesetzmäßigen
Lauf nahm. Die Bäume warfen ihr vergilbtes Laubkleid aus
Wassermangel früher als sonst ab, ließen ihren Lebenssaft
weitgehend ins warme Wurzelwerk sinken und machten sich zeitig im
Jahr winterfest. Und die Tage wurden spürbar kürzer. Die
Natur arbeitete eben mit einfachen, aber wirksamen Mitteln, während
für die Menschen in der Mortenau die Einstellung auf die kalte
Jahreszeit schwieriger wurde.
Sie lebten jetzt in
einem vom Feind besetzten Land und waren seiner Willkür
ausgeliefert. Zwar hatte das slawische Heer durch die
Kriegshandlungen rund ein Fünftel seiner Männer eingebüßt,
aber auch ein Heer von fünfzehnhundert Köpfen und rund
neunhundert Pferden, einschließlich der Gespanne, brauchte
Nahrung. Solche enormen Bedürfnisse brachten es daher mit sich,
daß die betroffenen Gebiete gnadenlos ausgeraubt wurden. Es
schien, als herrsche das Gesetz der Wildnis - das Recht des
Stärkeren. Nächstenliebe und Gottvertrauen schwanden dahin.
Es dämmerte eine Wolfszeit herauf, auch wenn die Wölfe ein
menschliches Antlitz trugen. Am schlimmsten traf es die Bauern und
die Hörigen, deren Höfe oder kleine Siedlungen ungeschützt
in der Landschaft verstreut lagen. Immer wieder leuchtete des Nachts
die Fackel der Brandschatzung, deren glutrote Botschaft denen, die
sie aus sicherer Ferne sahen, die Mahnung an den Himmel zeichnete,
sie könnten die nächsten sein.
Währenddessen
saßen die Herren dieser Menschen in ihren festen Burgen und
versteckten ihre Ratlosigkeit je nach Mentalität hinter
finsteren Mienen, trüben Blicken oder lautstarken Drohungen, die
jedoch nicht mehr waren als Spiegelfechterei. Kaum einer wäre
bereit gewesen, sein sicheres Nest zu verlassen, um auch nur einen
Nachbarn aufzusuchen und mit ihm und vielleicht anderen
Gleichgesinnten einen Plan auszubrüten, wie man dieser
Slawenpest Herr werden könnte. Anstatt angesichts der
Katastrophe zusammenzustehen, dachte jeder der Edelleute nur an die
Sicherheit des eigenen Felles. Was mit den Bauern draußen im
Land geschah, wurde zwar lebhaft bedauert, aber dem niederen Volk, ob
Freie oder Unfreie, zu Hilfe zu eilen, das war den Burgherren in
diesen Zeiten denn doch zu gefährlich.
Allerdings hätten
sie möglicherweise ihre Meinung schnell geändert, wenn sie
gewußt hätten, daß der polnische Heerführer
Gotvac eine Maßnahme anordnete, die einem informierten Gegner
eine willkommene Möglichkeit zur Gegenwehr eröffnete. Um
die Ernährung des Heeres sicherzustellen, hatte Gotvac es in
drei gleiche Hälften aufgeteilt. Er selbst setzte sich mit
seinem Heeresteil für den Winter in Offinburc fest. Die zweite
Abteilung schickte er ins Renchtal, wo diese nahe der Schauenburg ihr
Lager aufschlug. Der dritten Heereshälfte wies er ein Gebiet
einige Meilen südwestlich der Künzig zu, das bisher von der
Mortenauer Burg Zixenberg kontrolliert worden war.
Von diesen
Verschiebungen ahnten die meisten Burgherren der Region jedoch
nichts. Jeder Verkehr zwischen ihnen hatte aufgehört, Boten
wurden nicht mehr fortgeschickt, da einmal nichts zu berichten war
und zum anderen solche Botengänge lebensgefährlich sein
konnten. Es wäre die Aufgabe der Herren der Schauenburg und der
Burg Zixenberg gewesen, ihre Standesgenossen zu informieren, daß
das Slawenheer offenbar aufgeteilt sei. Daraus wäre ein
wirksamer Angriffsplan zu schmieden gewesen. Man hätte König
Philipp und
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