Die Klinge des Löwen 03
hatte und das unter den herrschenden Umständen
sowieso nicht zu ändern war. Ihn befremdete vor allem ihr
spöttisch-aggressiver Ton. So hatte er sich die
Anknüpfungspunkte für eine Erneuerung ihrer beider vor
Monaten aufkeimenden Liebschaft nicht vorgestellt! Sie legte es ja
förmlich darauf an, ihn vor den Kopf zu stoßen! Verärgert
ignorierte er ihre Frage und wechselte ohne Übergang das Thema.
"Ihr
habt vorhin gefragt, ob zur Verteidigung der Ortenburg genügend
Leute zur Verfügung stünden. Ja, die vorhandene Besatzung
reicht aus. Und die gefangenen Slawen werden für bestimmte
Arbeiten eingesetzt, um unsere eigenen Leute zu entlasten. Es hätte
sowieso keinen Zweck, zusätzliche Kriegsleute aufzunehmen. Das
wären dann noch mehr Esser, und ich weiß bei den mageren
Vorräten nicht, ob wir die bereits vorhandenen Köpfe den
Winter hindurch ernähren können."
Ida, die merkte, daß
sie zu weit gegangen war, ließ Dietrich nun in Ruhe, zumal
wichtigere Gesprächsthemen warteten, derentwegen sie an diesem
Vormittag zusammengekommen waren. Er selbst hatte erkannt, daß
sie Zeit brauchte, in ihre Rolle als alleinige Herrin der Burg
hineinzuwachsen, und daß er als zeitweiliger Lehensträger
ihre Ansichten tolerieren und sich bezüglich seiner
Herzensangelegenheit in Geduld fassen mußte.
Gemeinsam
konzentrierten sich nach diesem Disput alle drei darauf, ein
Verzeichnis der Vorräte in Scheuern, Speichern, Ställen
sowie in Küche und Keller zu erstellen. Sodann beschäftigten
sie sich damit, zu überlegen, was bis zum Eintritt des Winters
unter Umständen noch anderweitig erworben werden konnte. Die
Aufgabe, entsprechende Beschaffungsquellen ausfindig zu machen, wurde
dem Kämmerer übertragen. Danach erstellten sie einen Plan,
in dem sie die Zuteilung der Nahrungsmittel für die Wintermonate
festlegten.
Während sie
sich mit den Problemen der Versorgung ihrer Leute beschäftigten,
begehrte vor dem Burgtor ein Fremder auf einem abgetriebenen Roß
Einlaß. Auf die Frage des Wächters, wer er sei, antwortete
der Neuankömmling: "Ich bin Freiherr Jost von Ullenburg und komme in einer wichtigen Angelegenheit. Also laß
die Fallbrücke herunter und säume nicht, das Tor zu öffnen.
Es könnte sonst sein, daß dein Herr dir den Kopf
abschneidet, wenn du mich weiterhin hier draußen warten läßt!"
"Faßt
Euch in Geduld!" schrie es vom oberen Stockwerk der Torhalle
herunter. "Ihr wißt wohl nicht, daß unser Burgherr
das Zeitliche gesegnet hat?"
Der Fremde starrte
betroffen auf den hängenden Kopf seines Rosses. "Gestorben?
Wer befiehlt denn jetzt auf eurer Burg?"
"Hier herrscht
nun der Edelfreie Dietrich von Thiersperg. Unsere Herrin ist Ida..."
"Ja, ja, wer
deine Herrin ist, das weiß ich", wurde der Wächter
ungeduldig unterbrochen. "Spute dich jetzt, Kerl, und besorge
dir die Erlaubnis, mir zu öffnen!"
Wenig später
saß Jost von Ullenburg neben Ida. Dietrich war der Mann seit
dem verunglückten Heereszug, an dem dieser mit seinen Reisigen
und Kriegsknechten teilgenommen hatte, flüchtig bekannt. Er
wußte auch, daß dessen Wohnsitz die Ullenburg im vorderen
Renchtal war . Dietrich bemerkte, daß der Besucher zwei
blutunterlaufene Stellen auf der linken Seite des Gesichts hatte und
daß sein dunkelgrüner Wappenrock verschmutzt und an einer
Stelle zerrissen war. Er trug weder Helm noch Kettenhaube, sein
rundes Gesicht wirkte gehetzt und abgespannt, und seine etwas eng
zusammenstehenden Mausaugen über der leicht gebogenen Nase
blickten mit einem ratlosen Ausdruck in die Runde.
"Wie kommt es,
Herr Jost, daß Ihr in diesen unruhigen Zeiten unsere Burg
aufsucht", nahm Ida mit freundlichem Lächeln das Gespräch
auf. "Habt Ihr Langeweile auf der Euren?"
Der Freiherr stieß
ein freudloses Lachen aus. "Langeweile! Ich wünschte, das
wäre der Grund meines Hierseins!"
Dietrich mischte
sich ein. "Mich wundert auch, daß Ihr gerade jetzt Euren
Sitz verlassen habt. Fürchtet Ihr nicht, daß die Slawen
Eurer Feste einen Besuch abstatten könnten, so lange Ihr
abwesend sein?"
"Dieser Besuch
hat bereits stattgefunden", entgegnete Jost, wobei seine Stimme
bebte und ihm Tränen in die Augen traten.
"Wollt Ihr
damit sagen, die Slawen haben Eure Burg erobert?" fragte Ida
entsetzt.
Ein hoffnungsloses
Kopfnicken war die Antwort. Der Freiherr schluckte und versuchte,
sich zu fassen. "Sie haben die Ullenburg ohne Schwertstreich
eingenommen..."
"Ja, bei Gott
und allen Heiligen, wieso habt Ihr Euch denn nicht
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