Die Klinge des Löwen 03
wiesen. Inzwischen teilte Dietrich in fliegender Hast das
Reiterheer in drei Hälften, wobei er die äußerste
linke als Reserve abtrennte. Sie sollte sich in Bereitschaft halten,
falls es dem Feind gelang, alle Sperrgürtel zu durchbrechen. Die
beiden anderen Hälften bildeten jetzt einen linken und einen
rechten Flügel und wurden angeführt von Graf Max und Egeno
von Geroldseck. Ihnen schärfte Dietrich ein, mit ihrer Abteilung
zur Seite zu weichen, sofern der Gegner trotz des Pfeilhagels
durchbrach, und ihn in die Zange zu nehmen.
All das war geprägt
von fast kopfloser Hektik, die sich im Angesicht des mit tosendem
Lärm herannahenden Reiterheeres der Slawen immer mehr
ausbreitete. Es war Dietrich nicht mehr möglich, die eigenen
Fußtruppen in geeigneter Weise aufzustellen. Sie liefen
verwirrt hin und her, behinderten sich sowohl gegenseitig, als auch
die Berittenen, die bemüht waren, zu der ihnen zugewiesenen
Seite zu gelangen. Es wurde geflucht und geschrieen. Manche
versuchten, sich rechtzeitig einen Platz am äußersten Rand
zu sichern, um vom Feind nicht niedergeritten zu werden.
Dies alles geschah
unter einer unheimlichen Geräuschkulisse, denn inzwischen hatte
sich auch die zweite Welle feindlicher Reiter vom Höhenkamm
gelöst. Ein dumpfes und stetig lauter werdendes Dröhnen war
in der Luft, während die Erde unter den zahllosen Hufen der
Slawenrosse erzitterte, die jetzt den ganzen langen Hang ausfüllten.
Sie formierten sich, je näher sie kamen, zu einem brausenden
Keil, dessen Spitze auf die in vorderster Linie knienden
Bogenschützen zeigte und in rasendem Tempo näher kam.
Ein dichter Schwarm
von Pfeilen, abgeschossen von den mit bangem Herzen knienden und den
hinter ihnen in der zweiten Reihe stehenden Schützen, schwirrte
dem lebenden Donnerkeil entgegen. Sie sahen einzelne Slawenkrieger
aus dem Sattel fallen, ein paar Pferde stürzten ebenfalls, aber
die anbrandende Welle begrub sie unter sich und stürmte weiter,
als sei nichts geschehen. Eine zweite Pfeilwolke flog dem Monstrum
entgegen und blieb ebenfalls wirkungslos. Zu groß war die
vorwärts jagende Masse, zu mächtig der aufgebaute Druck und
zu konzentriert der Geist, der diesen Angriffswirbel beherrschte,
diese von unheilschwangerem Akkord erfüllte Symphonie des Todes,
mit der die Slawen Blut und Verderben in die Reihen des erschöpften
Heeres der Verteidiger trugen.
Dietrich, der sich
mit einem Teil des rechten Reiterflügels aus der unmittelbaren
Bahn des hereinbrechenden Feindes zurückgezogen hatte, sah, wie
die Pfeilschützen seitlich den Pferdehufen zu entkommen suchten
und wie die Lanzenträger angesichts der herandonnernden
Sturmflut aus Pferdeleibern ihre Stellungen verließen und sich
in Sicherheit brachten. Dann entdeckte er zu seinem Entsetzen den
goldfarbenen Helm von Graf Max, der offenbar mit einem Teil seiner
Abteilung das slawische Reiterheer von der Seite her angreifen
wollte. Gleichzeitig war aber deutlich zu sehen, daß immer mehr
Mitkämpfer von ihm abfielen und versuchten, sich in Sicherheit
zu bringen.
Hastig blickte
Dietrich sich nach Hilfe um. In dem Getümmel, in dem er steckte,
waren noch die meisten Krieger eigene Leute, die eine Art Ring
bildeten, um sich gegen die von allen Seiten auf sie eindringenden
Slawen zu schützen. Sein Blick fiel auf Giselbert, der mit
wütendem Eifer seine Streitaxt schwang und überall
zuschlug, wo sich ein feindlicher Kämpfer zu nahe heranwagte. Im
Rücken Giselberts entdeckte Dietrich Roland. Er trieb seinen
Rappen in die Nähe der beiden und rief ihnen zu, ihm zu folgen,
um Graf Max beizustehen.
Als er sah, daß
die beiden verstanden hatten und sie sich zu ihm durchkämpften,
wühlte er sich mit blitzender Klinge auf seinem mächtigen
Streitroß durch die Reihen der Slawen, bis er unmittelbar neben
dem hektisch mit Schwert und Schild hantierenden Max von Ortenburg
angelangt war, der nur noch wenige Getreue um sich hatte.
"Wir müssen
zurück, Graf", schrie Dietrich, um den Kampfeslärm zu
übertönen, und wehrte mit seiner Klinge zwei Slawenkrieger
ab, die sich auf den ermattenden Max stürzten. Er rief Roland
zu, die Zügel des Rosses von Graf Max zu ergreifen und ihm zu
folgen. Während Giselbert ihren Rücken deckte, mähte
Dietrich mit furchtbaren Schwertstreichen eine Gasse durch das
feindliche Getümmel, die ihnen den Weg aus dieser Blutorgie
freigab. Sie preschten hinaus ins freie Feld, Roland mit des Grafen
Roß am Zügel, dessen Reiter offenbar
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