Die Klinge des Löwen 03
als er dich zum Lehensträger ernannte!
Wenn du das aus einer augenblicklichen Laune heraus aufgibst, dann
setzest du dich und mich der Rache des Herzogs aus. Ich weiß
aus den Erzählungen meines Vaters, wie grausam er gegen
unbotmäßige Vasallen vorgeht. Er würde unsere Burg in
Trümmer legen, dich für vogelfrei erklären und mich
wohl in ein Kloster stecken. In seinem Zorn kennt er keine Gnade."
Dietrich,
nachdenklich geworden, nickte widerstrebend. "Das habe ich auch
schon gehört. Im Grunde hast du zwar recht, aber trotzdem, warum
soll gerade ich auf jedes Eigenleben verzichten?"
"Ich
verzichte ja auch", sagte Adelheid leise. "Aber ich sage
mir, alles hat seine Zeit. Wir sind beide jung, und der jetzige
Zustand wird nicht ewig dauern."
"Hoffentlich",
warf Dietrich düster ein, der angesichts ihrer sachlichen
Beurteilung seiner Lage schnell auf den Boden der Tatsachen
zurückgefunden hatte.
"Außerdem",
fuhr sie nach einigem Zögern fort, "was würde aus Ida?
Sie ist auf dich angewiesen!"
Er
senkte seufzend den Kopf. "Ja, auch das ist wahr."
"Liebst
du sie?..."
"Lieben?"
sagte er gedehnt, wobei er angestrengt auf den Dielenboden starrte,
um die Verlegenheit, die ihn bei der Frage erfaßt hatte, zu
unterdrücken. Nach ein paar Atemzügen hob er den Kopf und
sah sie an. "Ich weiß erst seit heute, was wahre Liebe
ist!"
Eine
feine Röte überzog Adelheids Antlitz. Sie schlug die Augen
nieder und sagte: "Wir wollen das Gespräch jetzt beenden.
Es ist spät geworden, und du mußt an den Heimweg denken."
Damit
erhob sie sich, so daß Dietrich nichts anderes übrigblieb,
als ebenfalls aufzustehen. Einem plötzlichen Impuls folgend, zog
er sie an sich und küßte sie sanft auf die Stirn. Aber sie
entzog sich ihm, und indem sie ihn offen ansah, sagte sie leise: "Wie
ich schon sagte, alles hat seine Zeit - auch die Liebe! Vergiß
das nie."
Als
er ihm Burghof seinen Rappen in Empfang nahm, sah er, daß sie
unter der Tür des Palas stand und ihm zuschaute. Er nickte ihr
zu, schwang sich in den Sattel und ritt im Trab zum Burgtor. Dort zog
er Titus noch einmal herum. Adelheid stand immer noch unter der Tür.
Dietrich winkte ihr zum Abschied und sah, wie sie die Hand zum Gruße
hob. Erst jetzt wandte er sein Roß und sprengte über die
Zugbrücke.
Obwohl
Adelheids Vorhaltungen ihn ernüchtert hatten, fühlte er
sich frei und leicht, denn er hatte gespürt, daß er ihr
nicht gleichgültig war, auch wenn sie ihn auf Distanz gehalten
hatte. Gerade diese Zurückhaltung hatte ihn mehr beeindruckt,
als wenn es anders gekommen wäre. Und vielleicht hatte sie ihn
mit ihrem klaren Blick für das Wesentliche vor einer großen
Dummheit bewahrt.
Kurz
vor Einbruch der Dunkelheit fand er sich wieder auf der Ortenburg
ein. Er war entspannt und guter Dinge, wie lange nicht mehr. Als er
sich aus dem Sattel schwang, trat Anselm Hutter eilig aus einem der
Ställe, daß es Dietrich so vorkam, als habe der Kämmerer
auf ihn gewartet.
"Habt
Ihr Euch eine neue Tätigkeit als Roßknecht gewählt,
Anselm?" scherzte Dietrich, während er eigenhändig den
Sattelgurt öffnete, den schweren Sattel von Titus' Rücken
hob und ihn zu Boden gleiten ließ. Mittlerweile war der
Kämmerer nahe an ihn herangetreten, und Dietrich musterte
forschend Anselm Hutters Gesicht, dessen bedrückte Miene ihn
befremdete.
"Nein,
Herr Dietrich, zu schwerer Stallarbeit taugen meine morschen Knochen
wohl nicht. Die Herrin hat mich lediglich gebeten, die Leute hier zu
beaufsichtigen, bis Ihr zurück seid."
"Euch
hat sie gebeten?" wunderte sich Dietrich. "Dafür ist
doch Giselbert da. Wo steckt er eigentlich - ich suchte ihn schon um
die Mittagszeit vergeblich."
"Ja,
nun, Herr Dietrich, es ist...wie soll ich sagen..." entgegnete
der Kämmerer umständlich und zögernd, so daß
Dietrich jetzt doch stutzig wurde.
"Nun
faßt Euch und sagt mir, was zu sagen ist, mich kann heute
nichts mehr erschüttern!" versuchte Dietrich den Älteren
zu ermuntern. Allerdings schwand seine gute Laune. Er ahnte, daß
ihm offenbar neues Ungemach bevorstand. Nervös löste er
Zaumzeug und Zügel von des Rappen Kopf. Das ging aber nicht so
einfach, weil der Rappe spürte, daß sein Herr ihn nicht
mit der gewohnten Rücksicht anfaßte, und so ging das Roß
unwillig ein, zwei Schritte rückwärts.
"Steh
still, Teufelsbraten!" murmelte Dietrich ergrimmt, aber der
Hengst riß den Kopf hoch und schnaubte empört. "Ja,
ja, ich weiß", murmelte Dietrich begütigend, "du
bist eine sanftere
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