Die Klinge des Löwen 03
Lehensträger der Burg treiben zu können.
Als
Dietrich, dem diese Behauptung ebenfalls zugetragen wurde, sie bei
einem nächtlichen Beisammensein darauf ansprach, antwortete sie
spöttisch: "Na und? Laß die Leute doch schwatzen und
kümmere dich nicht darum. Schließlich ist das Trauerjahr
schon bald zu Ende, und dann kann ich sowieso machen, was ich will."
Wie
immer in letzter Zeit zog es der junge Ritter vor, sich nicht auf
eine Diskussion mit ihr einzulassen, weil das regelmäßig
in Streit ausartete.
Von
einem Tag zum anderen verstummten dann die Gerüchte. Die
Menschen hatten plötzlich andere Sorgen, obwohl vorher noch ein
peinliches Geschehnis eintrat, das die Lästerzungen bestätigte
und in normalen Zeiten erheblichen Anstoß erregt hätte. Es
geschah an einem sonnigen, warmen Tag im Juni, und es war kurz vor
Mittag, als die beiden Liebenden wieder einmal das durch einen
riesigen Teppich abgetrennte Schlafgemach in Idas Kemenate in einen
Tempel der Lust verwandelt hatten. Inmitten ihres Liebesreigens
schlug das energische Pochen einer Männerfaust an Dietrichs Ohr.
Er versuchte sich freizumachen, aber Ida hielt ihn so fest
umschlugen, daß es nicht so einfach für ihn war, sich von
ihr zu lösen. Inzwischen wiederholte sich das Pochen an der Tür,
diesmal lauter und fordernder. Jetzt kam auch Ida zur Besinnung.
"Mein
Gott - ich habe vergessen, die Tür zu verriegeln!"
flüsterte sie.
In
diesem Moment hörten sie hinter dem Vorhang, wie die Tür
vorsichtig geöffnet wurde.
"Herr
Dietrich", rief Giselbert in den Raum, denn er war es, der
Einlaß begehrt hatte. "Kommt zur Westmauer, eine
ansehnliche Streitmacht der Slawen steht unter der Burg!"
Ida,
die mehr Geistesgegenwart bewies als der etwas langsame Dietrich,
rief erbost zurück: "Was fällt dir ein? Wie kannst du
es wagen, unaufgefordert meine Kemenate zu betreten? Hinaus mit dir,
bis ich dich rufen lasse!"
Giselbert,
der nun eingeschüchtert mitten im Raum stand, stotterte in
Richtung des Teppichvorhanges: "Verzeiht, Herrin...aber
ich...ich muß doch Dietrich benachrichtigen."
Inzwischen
war Ida aufgestanden, hatte sich das Unterkleid übergestreift
und eine Decke über den nackten Dietrich geworfen. "Mach,
daß du fortkommst, Giselbert! Ich weiß nicht, wo er ist."
Der
Blick des Kriegsknechts war längst auf das Kleiderbündel
gefallen, das außerhalb des Schlafgemaches neben einer Truhe
halb verstreut auf dem Boden lag. Er sah auch das danebenliegende
Waffengehenk mit dem ihm wohlbekannten Damaszenerdolch in seiner
Ebenholzscheide, den Dietrich ständig mit sich führte.
Verwirrt wandte Giselbert sich dem Ausgang zu, als zu allem
peinlichen Überfluß auch noch zwei Kammerfrauen in das
Zimmer stürzten. Sie stutzten, als sie den Kriegsknecht
erblickten, eilten aber dann wortlos an ihm vorbei, drehten sich
suchend im Kreise und wandten sich schließlich an den
verdattert herumstehenden Giselbert.
"War
das nicht eben die Stimme der Gräfin?"
Der
Kriegsknecht machte eine unbestimmte Geste in Richtung des
Teppichvorhanges und winkte mit feixender Miene ab.
Die
beiden Damen starrten ihn verblüfft an, und schließlich
entdeckten auch sie das Kleiderbündel. Ihren Gesichtern war
anzusehen, daß ihnen bei dem Anblick allmählich der
Zusammenhang dämmerte. Sie warfen einander vielsagende Blicke
zu, und ihre scheinheiligen Mienen verbargen kaum die anzüglichen
Gedanken, die sie dabei bewegten. Gerade wollten sie auf Zehenspitzen
den Raum wieder verlassen, als Ida ihren zerzausten Kopf hinter dem
Teppich hervorstreckte.
"Was
steht ihr da und gafft? Verlaßt augenblicklich mein Gemach!"
Eine
der beiden Kammerfrauen wandte sich um. "Gräfin...wir
wollten...wir dachten...wir haben gehört..."
"Hinaus,
sage ich!" kreischte Ida und kam nun drohend in ihrem fast
durchsichtigen Unterkleid hinter dem Vorhang hervor. Dietrich, der
mißmutig auf dem Bettrand saß, lauschte unangenehm
berührt den Trippelschritten der beiden Kammerfrauen, die hinter
dem breitschultrigen Giselbert aus der Kemenate stürzten. Dann
hörte er, wie die Tür zugeschlagen wurde, und das folgende
metallische Geräusch sagte ihm, daß Ida offenbar
wutentbrannt den Riegel vorgeschoben hatte.
Als
sie zurückkam, warf er ihr einen verdrießlichen Blick zu.
"Das hättest du früher besorgen sollen!"
Sie
starrte ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Was?"
"Die
Tür verriegeln!"
"Na,
wenn schon", sagte sie und tat gleichgültig. "Es hat
dich ja niemand gesehen."
"Aber
meine
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