Die Klinge des Löwen 03
betrat, war sein erster Gedanke, daß er nicht
einmal genug Leute zur Verfügung hatte, um wenigstens einen
Knecht als Torwächter einsetzen zu können.
Mißmutig
spähte der Alte durch die auf den Burgweg weisende
Schießscharte. Wie er richtig vermutet hatte, kam wenig später
der dicke Anführer des Wagenzuges behäbig und mit
schlenkernden Armen den Torweg herauf. Als der Mann noch hundert
Schritte entfernt war, erkannte Bartholomäus ihn.
'Da
möge doch der Gehörnte dreinfahren!' dachte er verdrossen.
'Es ist dieser Eckebert, der es letztesmal so eilig hatte, wieder zu
verschwinden. Aber der täuscht sich, wenn er glaubt, bei uns
einfach so hereinschneien zu können! Da bleibt unsere Brücke
oben. Ich will erst hören, was dieser ganze Aufzug soll.'
Mißtrauisch
betrachtete er die langsam näherkommende Gestalt. Er sah, wie
der Ankömmling, der in einem verwaschenen braunen Oberkleid
steckte, das über dem Bauch tüchtig spannte, vor dem
Burggraben stehen blieb. Sein schweißglänzendes Gesicht
hob sich gegen das über ihm liegende Torhaus, und sein Blick
glitt suchend an der Mauer entlang.
"Heda,
Wächter!" rief er schließlich aufs Geratewohl. "Senkt
die Brücke ab, ihr kennt mich doch!"
"Natürlich
kennen wir dich", scholl es ihm aus dem Gebäude entgegen.
"Eckebert ist doch wohl dein Name?"
"Äh...ja,
natürlich", rief der andere. "Der Stimme nach seid Ihr
der Großknecht, nicht wahr?"
Anstatt
die Frage zu beantworten, fragte Bartholomäus zurück: "Was
willst du mit deinem zahlreichen Gefolge hier?"
Der
Dicke draußen hob beschwörend die Hände. "Macht
mir doch erst einmal das Tor auf. Ich will Euch dann gerne berichten,
warum ich gekommen bin."
"Sag,
was du zu sagen hast, die Fallbrücke bleibt oben",
entgegnete der Großknecht in schroffem Ton. "Die Zeiten
erlauben es nicht, jedem unbesorgt Einlaß zu gewähren."
"Schön,
schön, ganz wie es Euch gefällt", rief von draußen
der Dicke. "Ich bin sehr traurig, daß Ihr mir Eure
Gastfreundschaft verweigert."
"Du
wirst es überleben! Sprich endlich, meine Zeit ist zu kostbar,
um sie hier mit nutzlosen Reden zu vertändeln!"
"Aber
ja!" rief der andere eilig. "Die Menschen, die mich
begleiten, sind vor den bösen Slawen geflohen. Sie haben mich
gebeten, nach einer neuen Bleibe für sie Ausschau zu halten."
Bartholomäus
runzelte die Stirn. "Wieso bist du da ausgerechnet auf uns
gekommen?"
Wieder
hob der Dicke die Hände. "Man hat doch Augen im Kopf! Als
ich eure Burg vor einiger Zeit aufsuchte, habe ich gesehen, daß
ihr zu wenig Leute habt! Deshalb bin ich hier. Ich will euch nur aus
eurer Notlage helfen!"
"Notlage?
In Not sind wir nicht. Aber warte!" rief ihm der Großknecht
zu, denn ihm war ein Gedanke gekommen. "Bleib, wo du bist, es
dauert eine Weile, bis ich zurück bin."
Und
im Gehen murmelte er: "Der Kerl muß flinke Augen haben!"
Bartholomäus
verließ das Torhaus und eilte über den langgestreckten Hof
zum Palas, der entgegengesetzt vom Burgeingang weiß verputzt
emporragte und den nördlichen Mauerabschluß bildete. Er
bat eine Kammerzofe, die ihm über den Weg lief, ihn bei der
Herrin zu melden. Adelheid empfing ihn kurz darauf in ihrer Kemenate.
Ihre Miene zeigte eine erhebliche Unruhe.
"Was
sind das für Leute, die mit ihren Wagen auf dem Talweg warten?"
fragte sie in besorgtem Ton, noch ehe er sein Anliegen vorbringen
konnte.
"Ah,
Ihr wißt schon, daß wir Besuch haben!" erwiderte er.
"Es ist dieser Eckebert, der schon einmal hier war, erinnert Ihr
Euch?"
"Ja,
sicher. Der seltsame Mensch, der mein Angebot, hier zu bleiben,
ablehnte und es eilig hatte, wieder zu gehen. Was will er denn mit
all den vielen Menschen?"
"Deswegen
bin ich hier! Es sind Bauern auf der Flucht vor den Slawen. Da dachte
ich, wir sind doch knapp an Leuten, die zupacken können, nicht
wahr?"
Adelheid
sah ihn eine Weile nachdenklich an, ohne zu antworten. Schließlich
sagte sie langsam:. "Ich verstehe - wenn wir sie hier
unterbringen, dann ist unser Gesinde groß genug, um alle
anstehenden Arbeiten zu bewältigen! Das meinst du doch?"
Der
Großknecht nickte, und über sein Gesicht lief ein Lächeln.
"Kein
schlechter Gedanke, Bartholomäus!" sagte Adelheid
beindruckt und wurde munter. "Nimm sie auf, öffne ihnen das
Tor, und..."
Sie
verstummte, und der Alte, der sich schon zum Gehen wandte, drehte
sich erstaunt wieder um. "Ist noch etwas, Herrin?"
Adelheid
entgegnete zögernd: "Ich wollte sagen, dieser Eckebert - er
hat doch wohl die Flüchtlinge zu
Weitere Kostenlose Bücher