Die Klinge des Löwen 03
Gemahl ersetzen muß..."
Um
sie zu trösten, sagte der Großknecht: "Wir werden es
auch so schaffen, Herrin. Bis jetzt ist Euch doch alles trefflich
gelungen. Seit Ihr Eure...Zurückgezogenheit aufgegeben habt,
sind doch die Menschen hier regelrecht aufgeblüht, sie sind
zuversichtlich geworden und verrichten seither ihre Arbeit mit
Schwung. Ich werde mit ihnen reden, und seid versichert, sie werden
dann ihre Anstrengungen verdoppeln! Sie hängen an Euch, glaubt
es mir, und sie und ich werden Euch niemals im Stich lassen!"
"Danke,
Bartholomäus", sagte Adelheid gerührt, und ihre Augen
wurden feucht. "Ich weiß, daß ich mich auf dich und
alle anderen verlassen kann. Aber es macht mich mitunter traurig,
wenn ich in meiner Kemenate einsam um irgendeinen schwerwiegenden
Entschluß zu ringen habe."
Bartholomäus
blickte vor sich nieder und murmelte: "Es ist die Einsamkeit
derer, die herrschen, Herrin."
"Herrschen?
Aber ich habe das doch gar nicht gewollt!"
"Dann
seht es als eine Fügung Gottes. Das allein kann Euch den
Rückhalt geben, den Ihr sucht. Verzeiht, wenn ich das sage, aber
Ihr seid so jung, und dennoch habt Ihr Euch mit seltener Umsicht
allen Problemen gestellt, die bisher auf Euch eindrangen. Gerade so,
als hättet Ihr seit hundert Jahren nichts anderes getan, als
Menschen zu führen."
"Manchmal
fühle ich mich, als wäre ich hundert Jahre alt",
entgegnete Adelheid tonlos. Aber sie verdrängte den düsteren
Gedanken so schnell, wie er gekommen war. In ihre Augen trat wieder
jener leuchtende Glanz, der ihre aus jugendlicher Energie genährte
Zuversicht verkündete. "Ich werde deine Worte im Herzen
behalten. Du bist ein kluger Mann, Bartholomäus - klüger
als so mancher aus meinen Kreisen!"
Der
Großknecht lachte verlegen. "Ach, wißt Ihr, Herrin,
wer so viele Jahre wie ich auf dem Buckel hat, der hat im Leben
allerlei gesehen. Es ist alles nur Erfahrung."
Auch
Adelheid lächelte. "Stell' dein Licht nur nicht unter den
Scheffel! Man hat mich frühzeitig eines gelehrt: Klugheit ist,
was ein Mensch aus seinen Erfahrungen zu machen versteht! Und in
diesem Sinne bin ich herzlich froh, mich auf dich und deinen Rat
stützen zu können."
Bartholomäus
wedelte abwehrend mit beiden Händen. "Lobt mich nicht zu
sehr, Herrin! Ich fürchte, sonst geht bald etwas schief!"
Die
Befürchtung des Großknechtes, als ein Scherz gedacht,
sollte sich scheinbar bald bewahrheiten. Etwa zwei Wochen nach dem
Gespräch mit der Burgherrin wurde er eines Morgens von dem
Waffenknecht Siegmund, der im östlichen Mauerturm Wache hielt,
alarmiert. Als Bartholomäus schnaufend die oberste, überdachte
Plattform des nicht sehr hohen Turmes erklettert hatte, zeigte der
Wächter aufgeregt auf den Talweg. Der Großknecht, der erst
wieder Luft holen mußte, bückte sich und stützte
schweratmend seine Hände auf die Knie, um einen Blick durch den
tiefer liegenden Mauerspalt zu werfen. Was er dabei zu sehen bekam,
verdüsterte sein Gesicht. Er zählte sechs Ochsenkarren, von
denen der vorderste ein geschlossener Planwagen war, während es
sich bei den nachfolgenden um offene Fuhrwerke handelte, die mit
allerlei Hausrat beladen schienen. Dazwischen saßen Frauen und
Kinder. Einige Männer im einfachen Bauernkleid schritten neben
dem Wagenzug her und trieben zuweilen die gemächlich ziehenden
Ochsen an. Den Schluß des Zuges bildeten, soweit Bartholomäus
erkennen konnte, mehrere halbwüchsige Burschen, die ein paar
Milchkühe mit Kälbern und ein halbes Dutzend Schafe
zusammenhielten.
Der
Großknecht war inzwischen wieder zu Atem gekommen und richtete
sich auf. Er nickte dem Wächter mit finsterem Gesicht zu. "Das
sind Flüchtlinge - zwar immer noch besser als eine Slawenbande,
aber wissen möchte ich, wie sie unser Tal gefunden haben!"
Diese
Frage konnte er sich wenig später selbst beantworten. Er wandte
den Blick wieder nach draußen und beobachtete die Wagenkolonne,
die jetzt mitten auf dem Weg unter der Burg anhielt. Von dem an der
Spitze stehenden Planwagen kletterte umständlich eine fette
Gestalt herunter, während die anderen schweigend und mit scheuen
Blicken die vor ihnen aufragenden Mauern musterten. Indessen scharten
sich die Männer um den Dicken, der zu ihnen getreten war und
nunmehr mit wichtigtuerischen Gebärden zu ihnen sprach.
Bartholomäus, der von seinem Standort aus nicht verstehen
konnte, wovon die Rede war, verließ den Mauerturm und eilte in
das kleine Torhaus über dem Burgeingang. Als er das leere
Gebäude
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