Die Klinge des Löwen 03
unserer Burg geführt. Ist
es nicht so?"
"Doch,
Ihr habt recht."
"Nun
gut, das können wir nicht mehr ändern. Aber wer weiß,
ob er nicht auch noch anderen unseren Standort preisgegeben hat. Wenn
er es herumerzählt, kommt es vielleicht auch den Slawen zu
Ohren. Unsere Sicherheit ist jetzt gefährdet. Deshalb darf er
nicht erfahren, daß wir zu wenig Leute haben und uns hart tun,
die notwendigsten Dinge am Laufen zu halten."
"Herrin,
das weiß er bereits. Er hat sich bei seinem ersten Auftauchen
anscheinend sehr aufmerksam umgesehen."
"Und
wenn schon! Ihm ist ja nicht bekannt, was wir in der Zwischenzeit
getan haben. Es hätte doch möglich sein können, daß
wir vermehrt Leute einstellten."
"Aber
das ist nicht der Fall, Herrin, und wenn er erst im Burghof steht,
dann weiß er gleich Bescheid."
Adelheid
bedachte den Großknecht mit einem nachsichtigen Blick. "Du
mußt eben so tun, als ob! Dieser Eckebert muß den
Eindruck gewinnen, als ob wir seine Flüchtlinge eigentlich gar
nicht bräuchten, sondern sie aus reiner Menschenliebe bei uns
aufnähmen. Verstehst du, was ich meine?"
Bartholomäus
starrte einen Moment verständnislos zu Boden, ehe er zögernd
antwortete: "Verzeiht, manchmal bin ich etwas schwer von
Begriff! Natürlich, der Kerl darf nicht merken, daß wir
dringend mehr Hände brauchen. Aber..." Er verstummte und
sah Adelheid hilflos an.
"Was
hast du?" fragte sie erstaunt.
"Dieser
Mensch sieht doch, wie es um uns steht, wenn ich ihn einlasse."
"Das
eben soll er nicht sehen!" entgegnete sie im Tone leichter
Ungeduld und fuhr entschlossen fort: "Hole die Männer, die
den nächtlichen Dienst verrichten, von ihrem Ruhelager. Trommle
die Knechte zusammen, die in Küche, Ställen und sonstwo
arbeiten, gib ihnen Waffen in die Hand, unsere Rüstkammer ist
voll davon! Laß sie auf den Wehrgängen hin und her gehen,
daß man sie im Burghof sieht. Der erste Eindruck ist
entscheidend. Für diesen Eckebert muß es aussehen, als
hätten wir eine stark geschützte Burg. Falls nämlich
durch sein Geschwätz die Slawen etwas über uns erfahren,
kann es sein, daß Eckeberts Darstellung unserer vermeintlichen
Kampfkraft sie abschreckt. Was die Flüchtlinge angeht, so ist es
egal, was sie jetzt oder später denken, sie haben wir nicht zu
fürchten. Eile jetzt und organisiere das Schauspiel!"
*
Ida
und Dietrich suchten in diesen Wochen trügerischer Ruhe auf der
Ortenburg immer wieder eine Gelegenheit, sich in der Kemenate der
Burgherrin einzuschließen, um ihre Leidenschaft füreinander
auszuleben. Aber während Ida sich wenig Gedanken um ihren
Lebenswandel machte, drückten Dietrich allmählich seltsame
Bedenken. Es gab Augenblicke, wo er sich wünschte, weit weg zu
sein, um Ida nicht sehen zu müssen, da er insgeheim sie und ihre
Verführungskünste für seine Schwäche
verantwortlich machte. In Wirklichkeit war es sein schlechtes
Gewissen gegenüber Adelheid, das ihn auf solche Gedanken
brachte. Dann aber hatte er wieder Zeiten, wo er seine Gewissensqual
von sich warf wie ein abgetragenes Hemd und Idas Nähe suchte. Er
fühlte den Zwiespalt, der ihn mitunter wie ein körperliches
Leiden befiel, aber er wußte gleichzeitig, daß die
Tollheit, mit der sie beide einander begehrten, nicht enden würde,
so lange sie unter demselben Dach lebten.
Es
blieb ihm nicht verborgen, daß ihre intimen Zusammenkünfte
allmählich auch dem Gesinde auffielen. Er wurde das Gefühl
nicht los, von immer mehr Augen auf Schritt und Tritt beobachtet zu
werden. Schließlich wurde es ihm sogar peinlich, mit Ida
zusammen in der Öffentlichkeit gesehen zu werden, da er sich
einbildete, die Menschen um ihn herum lauerten nur auf eine Geste der
Burgherrin, die ihnen ihre heimliche Vermutung bestätigte, daß
sie sich wieder auf ein Treffen mit ihm in ihrem Liebesnest
verständigte.
Solche
Furcht war zwar bei weitem übertrieben und entsprang seiner
überreizten Phantasie, weil ihm bewußt war, welch
fragwürdiges Leben er führte. Aber da Ida immer
unvorsichtiger wurde, wenn ihr der Sinn nach einem heimlichen
Zusammensein stand, kam tatsächlich der Zeitpunkt, wo ein böses
Gerücht aufkam. Man sah es inzwischen nicht mehr als einen Akt
der Mutterliebe an, daß Ida ihren kleinen Sohn aus
Sicherheitsgründen auf die weit entfernte Kastelburg hatte
bringen lassen. Nicht wenige der dem Gesinde angehörenden Leute
dachten es, und manche sprachen es sogar offen aus: Ida habe
Klein-Bernhard aus ihrer Nähe entfernt, um es ungestörter
mit dem
Weitere Kostenlose Bücher