Die Klinge des Löwen 03
Neuankömmlinge,
auf den Wehrgängen und hinter den Zinnen der Mauern.
Es
entging den flinken Augen Hackos nicht, daß hier eine gewaltige
Änderung seit seinem ersten Besuch eingetreten sein mußte.
"Ei,
eure Burg hat sich aber gemausert, seit ich das letzte Mal hier war!"
rief der dicke Handelsmann beeindruckt, als er vor Bartholomäus
stand. Der Großknecht begriff wohl, was der andere meinte, tat
aber, als wundere ihn dessen Ausruf.
"Findet
Ihr? Ich kann nicht sagen, daß sich irgend etwas bei uns
geändert hätte", sagte er in harmlosem Ton.
"Jetzt
untertreibt Ihr aber!" lachte der Händler. "So viele
Waffenknechte habe ich damals nicht gesehen - Eure gewaltige
Streitmacht ist ja fast zum Fürchten!"
Bartholomäus
sah den Dicken treuherzig an. "Was ich Euch sage! Die Leute, die
Ihr seht, waren schon immer hier."
In
dem Bewußtsein, nicht gelogen zu haben, betrachtete der
Großknecht den Besucher mit einer einfältigen Miene, die
eines wandernden Komödianten würdig gewesen wäre.
Hacko wurde jetzt doch ein wenig unsicher und ließ argwöhnisch
den Blick über die für ihn erstaunlich gut besetzten
Verteidigungspunkte schweifen.
"Seltsam",
murmelte er kopfschüttelnd. Dann faßte er sich aber und
kam in seiner umständlichen Art auf den Grund seines Auftauchens
zu sprechen: "Es ist so, daß ich daran gedacht habe, für
die armen Menschen, die mich begleiten, eine Bleibe zu finden, wo sie
vor den Slawen sicher sind. Dabei ist mir dieses Tal und eure Burg in
den Sinn gekommen!"
"Woher
wollt Ihr wissen, daß die slawischen Eindringlinge unser Tal
nicht kennen?" fragte Bartholomäus mißtrauisch.
Der
dicke Hacko breitete theatralisch die Arme aus. "Denkt doch
nach! Fast ein Jahr ist vergangen, seit der böse Feind in unser
Land eingedrungen ist. Habt Ihr schon ein einziges Mal einen ihrer
Krieger hier zu Gesicht bekommen?"
"Wenn
Ihr noch mehr solcher Flüchtlingszüge zu uns führt,
werden sie bald da sein", entgegnete Bartholomäus trocken.
"Aber
woher denn!" rief Hacko und hob dabei begütigend seine
fleischige Hand. "Mich seht Ihr so schnell nicht wieder, und
wenn, dann besuche ich Euch das nächste Mal allein. Es ist mehr
ein Dienst der Nächstenliebe, der mich bewegt, diese
bedauernswerten Menschen Euch zuzuführen. Sie bekommen ein neues
Zuhause und ihr tüchtige Arbeitskräfte."
"Und
was kostet uns Eure Nächstenliebe?"
"Nun
ja", sagte der Händler, wobei er die Stirn in Falten legte,
als müßte er die Sache überschlägig berechnen.
"Es sind einige Handwerker unter ihnen. Einer, Arnold mit Namen,
ist Zimmermann. Dann wäre Baldewin zu nennen, der das
Maurerhandwerk beherrscht und beschädigte Mauern instandsetzen
kann. Auch die anderen Mannsleute können zupacken, wo immer
kräftige Arme gebraucht werden. Und die Frauen erst! Ihr könnt
sie vieles heißen, sie sind geschickt für allerlei
Arbeiten sowohl in der Küche als auch draußen auf dem
Feld. Die Knaben wiederum könnt Ihr im Stall verwenden oder als
Hütejungen. Also, ich würde sagen, alles in allem bekommt
eure Burg wertvollen Zuwachs."
Bartholomäus
tat, als könne ihn Hackos Redeschwall nicht überzeugen, und
zeigte eine säuerliche Miene. Insgeheim allerdings imponierten
ihm die Fähigkeiten schon, die der Händler so vollmundig
anpries.
"Wie
viele sind es denn?"
"Zwanzig
Leute. Alle gesund und keiner so alt, daß er von Suppe leben
müßte, weil er keine Zähne mehr hat."
"Zwanzig
Esser mehr." Der Großknecht machte ein bedenkliches
Gesicht und schüttelte bedauernd den Kopf, ohne ein weiteres
Wort zu sagen, so daß Hacko schon fürchtete, sein Angebot
werde abgelehnt.
"Nun,
viel verlange ich nicht von Euch", beeilte er sich, zu beteuern.
Dann blickte er den Großknecht von unten herauf listig an.
"Zehn Gramm Silber?"
"Was
fällt Euch ein!" polterte Bartholomäus in gespieltem
Zorn los. "Meint Ihr, wir hätten ein Silberbergwerk? Ich
gebe Euch fünf Pfennig*, wenn Euch das nicht genügt, könnt
Ihr mit Eurer Fuhre weiterziehen!"
*[ Etwa
1 g Silber, dafür bekam man zu jener Zeit 20 Hühner. ]
"Ei,
was seid Ihr hartherzig. Sollen die armen Menschen in der Wildnis
verderben?"
"Das
liegt ganz bei Euch. Wenn wir sie aufnehmen, entstehen uns zunächst
einmal vermehrte Ausgaben. Auch wenn die Leute diese abarbeiten,
dauert das eine Weile. Ich gebe Euch sieben Pfennig, das ist mein
letztes Wort!"
Hacko
verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als würde er gleich in
Tränen ausbrechen, und entgegnete weinerlich: "Seht, ich
habe
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