Die Klinge des Löwen 03
übermannshohen
Pavesen*, hinter denen sich eine ganze Abteilung von Kriegsknechten
verbarg. Sie deckten damit sowohl sich, als auch die Zugtiere.
*[ Ca.
2 m hohe und 1 m breite Schilde, hinter denen sich zwei Mann bergen
konnten . ]
Dietrich
ahnte, daß die riesigen Schilde aber vor allem dem Schutz jener
Männer dienen sollten, deren Aufgabe es sein würde, den
Burggraben an der vorgesehenen Stelle mit dem mitgeführten
Material zu füllen, um den Rammbock so nahe wie möglich an
die Angriffsfläche heranzubringen.
Er
hatte genug gesehen und konnte sich inzwischen ein Bild über die
bevorstehende Auseinandersetzung mit dem Gegner machen. Eilig verließ
er den Turm, um sich für den Kampf zu rüsten. Unterwegs
begegneten ihm die ersten Waffenknechte, die flache Eisenwannen mit
Gesteinsbrocken zu den Tormauern schleppten. Als er den Südeingang
passierte, kamen ihm die sechs Bogenschützen der Burg entgegen,
die hastig dem gefährdeten Abschnitt zustrebten.
Im
Palas angekommen, befahl er einem Pagen, Roland herbeizuholen. Er
selbst begab sich schnurstracks in seine Kammer, zog den Waffenrock
aus und begann, den bis über die Knie reichenden Hauberk*
anzulegen. Inzwischen erschien sein Knappe und half ihm dabei.
Nachdem die Brünne richtig saß, streifte er den Waffenrock
wieder über, setzte sich eine gepolsterte Haube auf den Kopf und
zog darüber die Kettenhaube**.
*[ Kettenhemd ]
**[ Die
Kettenhaube war oft eine nahtlose Fortsetzung des Kettenhemdes und
schützte auch den Hals. ]
Dietrich
verzichtete wie immer um der Beweglichkeit willen auf Kettenhosen,
und ließ sich von Roland statt dessen starke lederne Strümpfe
reichen, in denen er dann seine Beine in filzgefütterte Stiefel
zwängte, deren Schäfte bis unterhalb der Knie reichten.
Nachdem
er Gürtel und Wehrgehenk wieder umgeschnallt, die Klinge geprüft
und in die lederbespannte Schwertscheide geschoben hatte,drückte
er sich einen oben flachen Rundhelm aufs Haupt. Dieser Kopfschutz sah
einer umgedrehten Dose ähnlich, wobei der "Boden" die
Kopfoberfläche schützte, während das Seitenband Stirn,
Schläfen und Hinterkopf schirmte. Vorne an den Helm war eine
leicht gebogene Metallplatte genietet, die Gesicht und Wangen deckte
und von zahlreichen Löchern durchbrochen war, um dem Träger
das Atmen zu erleichtern. Zwischen Gesichtsschutz und Helmteil
befanden sich zwei in die Breite gezogene schmale Sehschlitze, die
ein entsprechend weites Blickfeld gewährten.
Solcherart
gerüstet, wandte er sich Roland zu.
"Geh
jetzt und wappne auch du dich", klang es dumpf unter dem
Helmschutz des Ritters hervor. "Und bring' deinen Bogen und
einen Köcher voller Pfeile mit! Ich warte hier."
Der
Knappe verschwand und war kurze Zeit später wieder zurück.
Er war jetzt in einen hellgrauen Gambeson* gehüllt und trug als
Kopfschutz eine braune, stark gepolsterte Stoffhaube. In seinem
Köcher, den er sich über den Rücken gehängt
hatte, stak ein dickes Bündel Pfeile. Den Bogen in der Hand,
wartete er nun auf den Befehl seines Herrn zum Aufbruch in den Kampf.
Es war die erste richtige Belagerung in seinem Leben, und er war
sichtlich stolz darauf, daß er bei der Verteidigung der Burg
dabei sein sollte.
*[ Mehrlagiger
gesteppter Stoffpanzer als Körperschutz, oft mit Filz oder Wolle
gefüttert. ]
Dietrich
musterte seinen Knappen, der ihn erhitzt und voller Erwartung
anblickte, durch die engen Sehschlitze und schien zufrieden mit dem,
was er sah. Er klopfte Roland aufmunternd auf die Schulter. "Auf
in den Kampf, mein Junge! Aber anders als bei der verlorenen
Feldschlacht wollen diesmal wir die Slawen das Fürchten lehren!"
"Ja,
Herr", rief Roland freudig erregt. "Mit Gottes Hilfe wird
es gelingen!"
*
An
jenem denkwürdigen Tag, als der Mann, den man nur unter dem
Namen Eckbertus kannte, nun zum zweitenmal die Thiersburg betrat, sah
ihm der Großknecht Bartholomäus mit kritischem Blick
entgegen. Zuvor hatte er dafür gesorgt, daß das Innere der
Burg den Anschein erweckte, als sei die Feste von einer
schlagkräftigen Mannschaft geschützt. Fast sämtliche
männlichen Bewohner, ob in den Ställen beschäftigt, in
der Werkstatt des Zimmermanns, in Küche und Keller, ob Schmied
oder Schäfer, Schweinehirt oder Koch - sie alle mußten
eine Leder- oder Eisenhaube aufsetzen, sich - soweit in der
Rüstkammer vorhanden - in Lederbrünnen zwängen und
eine Rolle als Krieger spielen. Derart verkleidet, schritten oder
standen sie, bewaffnet und gut sichtbar für die
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