Die Klinge des Löwen 03
behandeln?"
Der
Aufseher, ein grobschlächtiger jüngerer Knecht aus dem
Kreis der zuletzt angekommenen Flüchtlinge, mit kurzgeschorenem
Kopf und bulligem Genick, einem Mund, so schmal wie eine
Messerschneide, und kleinen Augen, entgegnete mürrisch: "Die
Kerle stellen sich dümmer an als eine Kuh auf dem Tanzboden.
Wenn ich ihnen sage, was sie tun sollen, glotzen sie mich nur an und
rühren keinen Finger."
"Wie
ist dein Name?"
"Henner
heiße ich."
"Nun,
Henner, hast du dir schon einmal überlegt, daß sie
vielleicht deine Sprache nicht verstehen?"
"Ja...so,
nein, daran hab ich noch nicht gedacht."
"Es
wäre besser für dich, du wärst ihm Denken so flink wie
mit der Peitsche. Das Ding will ich nicht mehr in deiner Hand sehen!"
Sie rollte, immer noch erregt, die lederne Peitschenschnur zusammen
und reichte das Schlaginstrument einer der Mägde. Dann wandte
sie sich noch einmal dem gemaßregelten Knecht zu.
"Du
wirst jetzt den Gefangenen mit Zeichen und Gebärden beibringen,
was sie zu tun haben. Benenne ihnen einzelne wichtige Begriffe und
wiederhole sie ihnen während ihrer Arbeit immer wieder. So
werden sie in kurzer Zeit lernen, dich zu verstehen, Henner. Laß
dich aber nie mehr von mir dabei erwischen, daß du die Peitsche
benutzt. Dann könnte es nämlich sein, daß ich auf
deine Arbeitskraft verzichten und dich fortschicken müßte."
Mit
dieser Warnung wandte sich Adelheid brüsk ab und ging mit den
Mägden weiter. Zurück blieb ein verbiestert dreinschauender
Henner, während die Gefangenen einander vielsagende Blicke
zuwarfen.
Es
war jedoch nicht das letzte Mal, daß Adelheid energisch
einschreiten mußte, denn auch andere Knechte der Burg ließen
die Slawen immer wieder fühlen, daß man sie nicht als
Christenmenschen* betrachtete, sondern nach wie vor als barbarische
Heiden, die man nur mit grober Gewalt bändigen könne. Aber
wenn es auch eine Weile dauerte, bis jeder begriffen hatte, daß
Adelheid Gewalt gegen die Gefangenen nicht duldete, so lange diese
sich ruhig verhielten, so setzte sie sich doch durch. Schließlich
hatten alle verstanden, daß auch in dieser Beziehung das Wort
Adelheids zu gelten und man sich strikt daran zu halten hatte, wenn
man nicht Gefahr laufen wollte, von der Burg verwiesen zu werden.
*[ Die
Christianisierung der Slawen begann um 800 n. Chr., zog sich jedoch
bis ins 13. Jahrhundert hin. ]
*
Im
Kampf um den Zugang zur Ortenburg war eine Ruhepause eingetreten. Die
Slawen hatten sich so weit zurückgezogen, daß Pfeile von
der Burg aus sie nicht erreichen konnten. Inzwischen neigte sich die
Sonne gegen Abend. In einem großen Zelt, vor dem das Banner des
Heerführers flatterte, saßen sich Graf Gotvac und Feinel
gegenüber. Feinel räkelte sich auf seinem Armstuhl, als
befände er sich in einem friedlichen Lustgarten und nicht
inmitten eines tödlichen Kampfgeschehens.
"Bis
jetzt ist die Schlacht um die Burg doch gut für uns gelaufen",
stellte er befriedigt fest. "Ich denke, den Rest besorgen wir
morgen früh!"
Gotvac
nickte zwar widerstrebend, sein mürrisches Gesicht drückte
jedoch nicht gerade Zufriedenheit aus. "Ich wollte, wir hätten
mehr erreicht. Aber wenigstens haben die Burgleute gemerkt, daß
mit uns nicht zu spaßen ist. Morgen zerstoßen wir ihnen
das Gemäuer und dann sollen sie um Gnade winseln!"
"Wenn
wir diese Feste gebrochen haben, fallen uns die anderen Burgen des
Südens wie reife Äpfel in den Schoß! Keiner der Edlen
wird es dann noch wagen, unsere Forderungen abzulehnen."
Sinnend
betrachtete Gotvac seinen jüdischen Berater. "Das will ich
hoffen", sagte er nach einer Weile, wobei ein leise drohender
Unterton in seiner Bemerkung mitschwang. "Im Nordteil des
Territoriums sind zwar fast alle auf unsere Seite geschwenkt, aber
hier im Süden haben wir noch nichts erreicht."
"Das
kommt noch", beschwichtigte Feinel. "Laßt erst diese
Burg hier stürzen! Das Exempel wird den anderen eine Lehre sein,
sich nicht gegen uns aufzulehnen."
Graf
Gotvac streifte seinen Berater mit kritischem Blick. "Noch steht
die Ortenburg wie ein Fels vor uns. Vergiß nicht, sie wird von
einem offenbar ehrgeizigen jungen Löwen verteidigt. Du hast es
ja selbst erfahren, daß dieser junge Ritter die Feldschlacht
gegen uns anders geführt hätte, als der alternde Kauz, der
auf einer Burg haust, die sie Geroldseck nennen."
"Ich
weiß, ich weiß, so wurde mir berichtet. Sein Name ist
Dietrich vom Hain, das heißt, er wird jetzt 'von Thiersperg'
genannt. Gegen unsere
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