Die Klinge des Löwen 03
unversehrt.
"Seid
Ihr verletzt?" fragte einer der Kriegsknechte erschrocken.
Verblüfft
schüttelte Dietrich den Kopf. "Der Pfeil ist nicht
durchgedrungen! Es sieht aus, als hätte etwas ihn abgehalten."
Er
fingerte suchend am Brustteil seines Waffenrocks herum. Und plötzlich
wußte er, was ihn gerettet hatte - Idas silbernes Kreuz, in
seiner Brusttasche verwahrt, hatte den Pfeil aufgehalten!
"Vielleicht
habe ich einen aufmerksamen Schutzengel", sagte er in
scherzendem Ton, vermied es aber, das Kruzifix zu erwähnen.
Niemand sollte wissen, daß ihn das Geschenk seiner Geliebten
geschützt hatte - das Gerede um ihr heimliches Verhältnis
würde nur neue Nahrung erhalten!
"Endlich
können wir den Slawen vom Torturm aus das Leben schwer machen",
lenkte er von dem für ihn heiklen Thema ab. "Diejenigen
unter uns, die dort den Kampf aufnehmen, brauchen die eisernen
Hornissen wohl nicht mehr zu fürchten, die bisher durch die
Mauerspalten summten!"
Zwei
von ihm gerufene Bogner mußten alsbald Stellung hinter den
beiden Schießscharten im Turm beziehen. Sodann ließ
Dietrich nach Roland schicken, den er als Ersatzmann verwenden
wollte, falls einer der beiden für die Turmverteidigung
eingesetzten Bogner ausfiele. Wenn aus beiden Mauerspalten die Pfeile
flogen, dachte er, hatten die slawischen Grabenfüller keine
Chance mehr.
Allerdings
war inzwischen die Zeit, um die Slawen an der Einebnung des Grabens
zu hindern, denkbar knapp geworden. Dietrich sah, daß nur noch
wenige Wannen Schüttgut notwendig waren, um die Rampe für
den Sturmbock fertigzustellen. Rasch befahl er den beiden
Bogenschützen im Torturm, die gegnerischen Schirmdächer
wieder mit Brandpfeilen zu bekämpfen, und nach kurzer
Vorbereitung jagten sie einen Feuerbrand nach dem anderen durch die
Schießscharten. Da sie keine Armbrustbolzen mehr zu fürchten
brauchten, konnten sie in Ruhe zielen. Ihre brennenden Geschosse
pflockten sich in engen Kreisen an die hölzernen Schutzwände
des Feindes. Es dauerte nicht lange, bis der erste Holzschirm Feuer
fing.
Auch
die Slawen hinter ihren Schutzwällen erkannten, daß eine
für sie schwerwiegende Wende im Kampfgeschehen einzutreten
drohte. Was aber Dietrich und seine Männer jetzt zu sehen
bekamen, ließ ihnen das Blut in den Adern stocken: Hinter den
gegnerischen Schirmwänden wurden junge Frauen hervorgetrieben!
Jeweils zu vieren schleppten sie Wannen voll Schüttmaterial vor
den Grabenrand und ließen es hineinkollern.
"Schießt
nicht auf uns!" schrien die verängstigten Mägde zum
Torturm hinauf.
"Tod
und Teufel! Das sind ja welche von uns!" rief einer der
Bogenschützen, während ein leichter Wind den Qualm der
brennenden Holzschirme durch die Mauerschlitze drückte.
"Schont
die Maiden!" befahl Dietrich grimmig. Er hatte erkannt, daß
es wohl zu spät dafür war, die Slawen daran zu hindern,
ihren Sturmbock einzusetzen. In ohnmächtigem Zorn mußten
er und seine Mannen zusehen, wie die armen Weiber wieder hinter die
flammenden Holzschirme wankten. Es war allen klar, daß die
Slawen bei ihren Raubzügen die Mädchen verschleppt hatten
und sie nun für ihre teuflischen Zwecke mißbrauchten.
Noch
zweimal wiederholte sich das furchtbare Schauspiel, dann war auf
einer Länge von etwa zehn Ellen dort, wo vorher der Burggraben
das Tor schützte, ebene Erde. Damit nicht genug, schoben die
Slawen zwei ihrer brennenden Holzwände dicht vor den Gußerker
des Turmes, so daß die Männer im Innern von dem heißen
Luftschwall zur gegenüberliegenden Wand zurückgetrieben
wurden. Dietrich erkannte entsetzt, daß der durch den Wind
ausgelöste Funkenflug nach oben stieg und damit die Gefahr
bestand, daß das geschindelte Turmdach und die Dachbalken in
Brand gerieten.
"Rasch",
rief er, "löscht das Feuer! Das Wasser, mit dem wir die
Slawenbrut brühen wollten, ist jetzt ohnehin abgekühlt!"
Eilig
schleppten zwei der Krieger, die im Hintergrund auf ihren Einsatz
gewartet hatten, Wasserkübel zum Gußerker und schütteten
es in die Flammen, während andere von der Mauer draußen
das gleiche taten. Die Slawen hatten sich zurückgezogen, Pfeile
brauchten die Verteidiger jetzt nicht zu fürchten. Durch das
schnelle Eingreifen der Löschtrupps gelang es, die brennenden
Holzschirme am Turm zu löschen, bevor die hochgezogene
Fallbrücke Feuer fing.
"Nun
haben uns diese Narren sogar noch einen Gefallen getan", sagte
Dietrich mit finsterer Befriedigung. "Von ihren Holzschirmen ist
genug übrig, um unser Tor zusätzlich
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