Die Klinge des Löwen 03
zu schützen! Sie
werden es schon merken, wenn sie mit ihrem Sturmbock über die
eigenen Trümmer stolpern!"
*
Nicht nur die
Ortenburg kämpfte in diesen Tagen ums Überleben. Ähnliches
geschah auch Teilen der Bevölkerung draußen im Lande.
Waren bisher meistens die Menschen im nördlichen Teil betroffen,
so befanden sich seit kurzem auch Bewohner von Weilern und
Bauernhöfen der südlichen Landesteile auf der Flucht vor
den wieder zunehmenden Überfällen slawischer Einheiten.
Offenbar hatten diese den Befehl erhalten, erneut mit Tod und Terror
gegen die Bewohner zu wüten. Es sah aus, als wollten die
Eroberer vor allem den herrschenden Edelleuten deutlich machen, daß
niemand, der sich gegen sie stellte, mit Erbarmen rechnen konnte. Und
abermals sah man Flüchtlingeüber das geschundene Land ziehen, auf der Suche nach
einer Burg, die sie in ihre schützenden Mauern aufnahm.
Es konnte nicht
ausbleiben, daß immer mehr solcher Elendszüge auch das
inzwischen nicht mehr so stille Thiersperger Tal fanden. Auf diese
Weise wurde die Thiersburg gleich anderen Burgen allmählich zu
einem Flucht- und Sammelpunkt der in ihrem Umkreis lebenden Bauern
und Hörigen, die vor den Slawenhorden mit Kind und Kegel
geflohen waren. Nicht wenige waren verletzt, krank oder alt, und alle
waren froh um die helfenden Hände von Adelheid und ihren Mägden,
die versuchten, das Leid so gut wie möglich zu lindern. Adelheid
brachte es nicht übers Herz, irgend jemand abzuweisen, und so
war ihre Burg schließlich vollgestopft mit verängstigten
Menschen, von denen manche nichts als das nackte Leben vor dem Feind
gerettet hatten.
Einigen war es
jedoch gelungen, mitsamt ihrem Vieh zu flüchten. Da muhte,
quiekte, gackerte, blökte, bellte und wieherte es zuletzt im
Burghof, daß man bei all dem Lärm hätte meinen
können, man befände sich auf der Arche Noah.
Adelheid erkannte
endlich, daß sie entschlossen handeln mußte, wenn sie
nicht riskieren wollte, daß ihr die Herrschaft über die
Burg aus den Händen glitt. Nachdem sie sich alles reiflich
überlegt hatte, ließ sie Bartholomäus rufen, um ihm
mitzuteilen, was geändert werden müsse.
"Der
Viehbestand der Flüchtlinge muß heraus aus der Burg",
erklärte sie ohne jede
Einleitung und in energischem Ton dem Großknecht, so daß
er sie zunächst stumm und mit großen Augen ansah. "Wo
können wir die Tiere unterbringen?"
Bartholomäus
machte ein so ratloses Gesicht, daß es Adelheid sofort klar
wurde, daß von ihm keine Antwort auf ihre Frage zu erwarten
war. Für einen Moment war es ihr, als würde schwarze
Hoffnungslosigkeit ihr Gemüt verdüstern. Warum war sie so
allein? Weshalb mußte sie leben und handeln wie eine Witwe, und
Dinge entscheiden, die doch die Angelegenheit ihres Gemahls gewesen
wären?
Mit
großer Anstrengung unterdrückte sie den Anflug der
niederziehenden Gedanken. Sie sah, daß sie den Großknecht
nicht überfordern durfte, wenn er ihr weiterhin eine Stütze
in dieser furchtbaren Zeit sein sollte. Sie war jetzt gefordert, sie
allein. Es führte kein Weg daran vorbei, daß sie als
Herrin der Burg ihrem Gesinde den Rahmen stecken mußte, an dem
es sich orientieren konnte. Sie begriff, daß es nur so möglich
sein würde, einigermaßen Ordnung in das lärmende
Durcheinander zu bringen. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer
Brust.
"Schon
gut, Bartholomäus", sagte sie weich, um dann aber energisch
fortzufahren: "Abgesehen davon, daß der Lärm der
vielen Tiere umherstreifende Slawen aufmerksam machen könnte,
kann ich es auch nicht zulassen, daß unsere Burg in diesem
Getümmel und dem von Tag zu Tag anwachsenden Schmutz zu einem
Viehstall verkommt. Die Tiere müssen außer Sicht- und
Hörweite gebracht werden, irgendwo hin, wo weder Weg noch Steg
hinführen, damit die feindlichen Horden sie nicht finden."
Jetzt
begriff der Alte. "O ja, Herrin, das ist gar kein Problem. Wir
treiben alles Viehzeug in die Laubwälder oberhalb der Burg! Soll
ich gleich ein paar von unseren Leuten dafür abstellen?"
"Aber
nein! Das sollen die Flüchtlinge schon selber besorgen. Soviel
ich gesehen habe, sind unter ihnen genügend kräftige
Burschen, die nicht wissen, was sie mit dem lieben langen Tag
anfangen sollen. Die setzt du als Hütejungen ein. Sie sollen mit
dem ganzen Viehbestand in den Wald ziehen und vorläufig dort
bleiben. Richte es so ein, daß die Buben von der Burg aus immer
wieder mit Proviant versorgt werden. Es wäre auch gut, wenn
zwei, drei Erwachsene dabei
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