Die Klinge: Roman (German Edition)
oder zwei gute Horrorfilme ansehen, aber es schienen nirgendwo welche zu laufen. Schließlich begnügte er sich mit einem Charles- Bronson-Film und einem langen, öden Streifen über einen bei der Mafia eingeschleusten Agenten.
Dann kehrte er ins Holiday Inn zurück. Fernsehen war auch in Ordnung. Er sah sich die Johnny-Carson-Show an, bis er einschlief.
Alles in allem verbrachte er eine angenehme Zeit in St. Louis. Aber es war nicht sehr aufregend. Er war kein einziges Mal zum Zug gekommen. Allerdings hatte er sich auch nicht besonders darum bemüht.
Hier in Kansas City würde er sich verdammt hart darum bemühen.
Nachdem er am Dienstagnachmittag im Hotel eingecheckt hatte, ging Albert unter die Dusche. Er versuchte, sich mit seinem Messer zu rasieren, doch die spärlichen Barthaare wurden nur glatt gestrichen. Er beschloss, es mit Miltons Nassrasierer zu probieren. Die Klinge war mit seinen grauen Stoppeln verkrustet und verklebt.
»Schmutzfink«, murmelte Albert.
Aber er rasierte sich trotzdem damit und schnitt sich einmal. Als er fertig war, fühlte sich sein Gesicht glatt an. Es sah allerdings kaum anders aus als zuvor, und er fragte sich, warum er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte.
Er aß im Café des Hotels einen Cheeseburger und spülte ihn mit einem Schokomilchshake herunter. Dann setzte er sich ans Steuer. Er fuhr nach Süden, bis er in ein Stadtviertel mit hübschen zweigeschossigen Häusern kam. Lange kreuzte er durch die Straßen. Er wusste nicht genau, wonach er suchte, hatte aber das Gefühl, er würde es wissen, wenn er es fände.
Das ist es.
Ein Supermarkt.
Er hielt auf dem Parkplatz und stieg aus. Als er zu dem Laden ging, wehte sein Anorak im kühlen Wind wie ein Umhang. Offenbar war die Hitzewelle des Oktobers vorbei – oder er hatte sie in St. Louis hinter sich gelassen. Er zog seine Jacke zu und schloss den Reißverschluss.
Die automatischen Türen glitten auf. Er eilte hinein, um dem Wind zu entfliehen.
Eines der Vorderräder des Einkaufswagens lief unrund. Er nahm einen anderen. Dieser war rostiger als der erste, und es lag ein abgerissenes Salatblatt darin, doch die Räder funktionierten gut.
Es schien ihm eine gute Idee, mit dem ersten Gang auf der linken Seite zu beginnen. Von dort könnte er sich systematisch nach rechts durch den ganzen Supermarkt arbeiten. So konnte er sicher sein, dass er alle Frauen sah.
Und es gab dort jede Menge Frauen.
Hausfrauen mit Lockenwicklern im Haar, die meisten von ihnen übergewichtig und stumpf. Schlanke Frauen in maßgeschneiderten Kostümen, die wahrscheinlich auf dem Heimweg von der Arbeit etwas fürs Abendessen einkauften, ihre Gesichter starr und hartherzig. Alte Frauen, die vorsichtig gingen und sich an ihrem Einkaufswagen festklammerten. Und ein paar, die ganz anders waren.
Eine davon, vielleicht dreißig Jahre alt, wirkte sehr selbst bewusst. Sie ließ ihren Wagen jedes Mal am Ende des Gangs stehen, eilte zu den verschiedenen Regalen, wo sie ohne zu zögern zugriff, und ging mit den Sachen zurück. Die Drahtbrille mit den rechteckigen Gläsern und ihr vorstehendes Kinn ließen sie fast maskulin erscheinen, aber sie hatte freundliche Augen mit grazilen Brauen.
Sie nicht. Sie erregte seine Neugierde, doch sie war nicht der Typ, den er wollte.
Eine andere, in Jeans und Armeehemd, passte besser. Sie ging mit den Händen in den Hosentaschen und einer Flasche Rotwein unter dem Arm an ihm vorbei. Ihre großen Brüste wippten lose unter dem Hemd. Sie wackelte sinnlich mit den Hüften, als wollte sie allen signalisieren, dass zwischen ihren Beinen noch ein Platz frei war.
Albert schob den Einkaufswagen hinter ihr her und sah auf das Gesäß ihrer ausgeblichenen Jeans. Ein herzförmiger roter Flicken war über eine Tasche genäht. Als sie stehen blieb, um eine Packung Käse auszusuchen, fuhr Albert um sie herum. Im Vorbeigehen drehte er den Kopf und konnte einen Blick zwischen zwei Hemdknöpfen hindurch auf die weiße Haut einer Brust erhaschen.
In diesem Moment stieß sein Einkaufswagen gegen eine junge Frau, die in die andere Richtung blickte.
Sie schnappte scharf nach Luft, machte einen Satz nach vorn und griff an ihren Fußknöchel. Dann bemerkte sie offenbar, dass die Achillessehne, wo sie der Wagen getroffen hatte, doch nicht so wehtat, und richtete sich wieder auf.
»Es tut mir schrecklich leid«, sagte Albert.
»Schon gut«, meinte sie.
Sie war ungefähr in Alberts Alter, hatte offenes kastanienbraunes Haar und ein so
Weitere Kostenlose Bücher